Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Anspruch auf häusliche Krankenpflege. Versorgung eines suprapubischen Katheters ohne Entzündung als einfachste Maßnahme der Behandlungspflege. keine einfachste Maßnahme der Behandlungspflege bei Vorliegen einer Entzündung und damit einhergehender Erforderlichkeit medizinischer Kenntnisse. in letztgenanntem Fall keine gesetzliche Verpflichtung der Einrichtung der Eingliederungshilfe zur Erbringung dieser Leistung
Orientierungssatz
1. Bei der "einfachen" Versorgung eines suprapubischen Katheters ohne Entzündungen liegt eine einfachste Maßnahme der Behandlungspflege vor, bei welcher keine nennenswerten medizinischen Kenntnisse erforderlich sind.
2. Bestehen im konkreten Einzelfall jedoch symptombehaftete Harnwegsinfekte im Wechsel mit asymptomatischen persistierenden Bakterien und lokalen Rötungen an der Eintrittsstelle des suprapubischen Katheters an der Haut durch mechanisches Reiben mit bakterieller Superinfektion, bei der zudem eine Wunde aufgetreten ist, erfordert diese Situation medizinische Kenntnisse, da ua bei der Entzündung eine Desinfektion durchgeführt werden muss und eine Krankenbeobachtung erforderlich ist, was üblicherweise nur nach Rücksprache mit medizinisch geschultem Personal erfolgen kann, so dass es sich in diesem Fall nicht um eine "einfache Versorgung" handelt, zu deren Erbringung eine Einrichtung der Eingliederungshilfe - als gesetzlicher Bestandteil der Eingliederungshilfe - verpflichtet wäre.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 26.09.2019 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 03.02.2020 verurteilt, der Klägerin 495,93 € für die häusliche Krankenpflege in der Zeit vom 16.09.2019 bis 31.12.2019 in Form der zweimal wöchentlichen Versorgung eines suprapubischen Katheters zu erstatten.
2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Kosten für die Versorgung eines suprapubischen Katheters in der Zeit vom 16.09.2019 bis 31.12.2019 in Höhe von insgesamt 495,93 €.
Die 1961 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie lebt in einer vollstationären Einrichtung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, im Haus St. E. des Caritasverbands S. Bei ihr besteht eine neurogene Blasenentleerungsstörung infolge einer spastischen Tetraparese nach frühkindlicher hypoxischer Hirnschädigung. Der Facharzt für Urologie Dr. med. Sp. verordnete am 04.09.2019 als Maßnahme der häuslichen Krankenpflege zweimal wöchentlich die Versorgung eines suprapubischen Katheters für die Zeit vom 16.09.2019 bis 31.12.2019.
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten unter Vorlage der Verordnung des Dr. med. Sp. die Kostenübernahme für die Versorgung eines suprapubischen Katheters durch die Katholische Sozialstation St. M., S. str. 7, … S.
Mit Bescheid vom 26.09.2019 lehnte die Beklagte den Antrag auf die Versorgung eines suprapubischen Katheters in der Zeit vom 16.09.2019 bis 31.12.2019 ab. Bewohner in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für Menschen mit Behinderung hätten gemäß höchstrichterlicher Entscheidung keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege, soweit diese der einfachsten medizinischen Behandlungspflege zuzuordnen sei. Die beantragte Leistung sei der einfachsten medizinischen Behandlungspflege zugeordnet. Dies bedeute, dass der Träger der Einrichtung die Erbringung dieser Maßnahme sicherzustellen habe. Eine zusätzliche Kostenübernahme der beantragten Leistung zu Lasten der Krankenversicherung sei aus diesem Grund nicht mehr möglich.
Für die Klägerin legte ihr Betreuer am 03.11.2019 Widerspruch ein. Bei der Versorgung eines suprapubischen Blasenkatheters handele es sich um keine einfachste Maßnahme, da diese tatsächlich Infektions- oder Verletzungsgefahren hervorrufen könne.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2020 als unbegründet zurückgewiesen. Ohne eine Neuanlage des suprapubischen Katheters und ohne Entzündungen mit Läsionen der Haut an der Katheteraustrittsstelle handele es sich nach Aussage des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) in seinem Grundsatzgutachten bei der Versorgung eines suprapubischen Katheters aus pflegefachlicher und medizinischer Sicht um eine einfachste Maßnahme der Behandlungspflege im Rahmen häuslicher Krankenpflege. Für die Versorgung in dieser Fallkonstellation seien keine besondere medizinische Sachkunde und keine medizinischen Fähigkeiten erforderlich, mit der Maßnahme seien keine nennenswerten Gefahren (z.B. Infektionen oder Verletzungen) verbunden und die Maßnahme sei von erwachsenen Haushaltsangehörigen/Laien ohne medizinische Vorkenntnisse (nach kurzer Einweisung) erbringbar. Das Bundessozialgericht habe in seinem Urteil vom 25.02.2015 (B 3 KR 11/14 R) festgehalten, dass auch stationäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe geeignete Orte im Sinne des § 37 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sein könnten. Die Kl...