Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinterbliebenenrecht. Beweislast. Anscheinsbeweis. Ungeeignetheit von Eintragungen im Versicherungskonto einer Rentenversicherung als alleiniger Nachweis dafür, dass eine Erklärung gem § 303 SGB 6 tatsächlich abgegeben wurde

 

Leitsatz (amtlich)

Eine verschlüsselte Eintragung über die Abgabe einer Erklärung iS des § 303 SGB 6 über die Anwendung des bis Dezember 1985 geltenden Hinterbliebenenrechts reicht alleine nicht zum Nachweis aus, dass eine solche Erklärung tatsächlich abgegeben wurde, wenn dies vom Betroffenen glaubhaft bestritten wird und keinerlei weitere Unterlagen mehr vorliegen. Die Beweislast über die tatsächliche Abgabe einer solchen Erklärung trifft die kontoführende Rentenversicherung.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 01. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2011 verpflichtet, dem Kläger Witwerrente gemäß § 46 SGB VI antragsgemäß zu gewähren.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Witwerrente und die Frage, welches Recht diesbezüglich zur Anwendung kommt.

Der Kläger, geboren im Juli 1927, bezieht von der Beklagten eine Altersrente. Diese betrug im März 2010 rund 1.380,00 EUR netto. Die Ehefrau des Klägers bezog zuletzt im März 2010 eine Rente in Höhe von 733,00 EUR.

Am 22. März 2010 verstarb die Ehefrau des Klägers. Mit einem Schreiben vom 26. April 2010 wandte sich der Kläger an die Beklagte und fragte sinngemäß nach seinem Anspruch auf eine Witwerrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 19. Mai 2010 mit, laut Vermerk in den Versicherungskonten der Eheleute hätten der Kläger und seine Frau am 20. Dezember 1988 eine Erklärung gegenüber der Beklagten abgegeben, wonach das bis zum 31. Dezember 1985 geltende Hinterbliebenenrecht bei ihnen weiter Anwendung finden solle. Unter den Voraussetzungen des alten Hinterbliebenenrechts bestehe kein Anspruch auf eine Witwerrente, da die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vorlägen.

Mit Schreiben vom 11. August 2010 bat der Kläger die Beklagte um Überprüfung dieser Angelegenheit, denn er könne sich nicht daran erinnern, eine entsprechende Erklärung über die Anwendung des Altenhinterbliebenenrechts abgegeben zu haben. Die Beklagte lehnte diesen als Überprüfungsantrag gewerteten Antrag mit Bescheid vom 01. September 2010 ab und lehnte den Anspruch auf Gewährung einer Witwerrente nach altem Recht mangels Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen förmlich ab. Den vom Kläger mit Schreiben vom 24. September 2010 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2011 als unbegründet zurück. Aufgrund der im Versicherungskonto verzeichneten Erklärung des Klägers sei das alte Hinterbliebenenrecht anzuwenden. Nach dessen Maßgaben bestehe kein Anspruch, denn die Altersrente des Klägers sei rund doppelt so hoch wie die Altersrente der Frau, so dass nicht anzunehmen sei, dass diese überwiegend für den Unterhalt gesorgt habe. Am 28. Februar 2011 hat der Kläger daraufhin Klage erhoben.

Er trägt vor, er habe eine Erklärung im Dezember 1988 über die Anwendung des alten Hinterbliebenenrechts niemals abgeben. Er könne sich nicht erklären, warum im Versicherungskonto ein derartiger Eintrag bestehe. Zudem sei der 20. Dezember 1988 der gemeinsame Hochzeitstag mit seiner Frau gewesen, der immer gemeinsam mit der Familie gefeiert worden sei. Es sei daher sehr unwahrscheinlich, dass er an diesem Tage gegenüber der Rentenversicherung eine entsprechende Erklärung abgegeben habe. Außerdem habe er sonst üblicherweise von Erklärungen gegenüber Behörden immer Kopien behalten, eine solche liege hier jedoch nicht vor.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 01. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Witwerrente gemäß § 46 SGB VI zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Zwar seien keine Unterlagen mehr vorhanden, die Eintragung im Versicherungskonto der Ehefrau, die einige Tage später parallel auch im Konto des Ehemannes vorgenommen worden sei, wäre jedoch ohne eine entsprechende Erklärung nicht vorgenommen worden.

Zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen und zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und den vorliegenden Verwaltungsvorgang, der auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 10. Mai 2012 war, sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige und als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs 1 Satz 1, 1. und 3. Variante Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Klage hat Erfolg.

Die Entscheidung der Beklagten, auf die Frage der Gewährung einer Witwerrente zugunsten des Klägers das alte, bis Dezember 1985 geltende Hinterbliebenenr...

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