Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistungen. Leistungen zur Eingliederung von Selbstständigen. Prüfungsschema. hauptberufliche Tätigkeit. Beurteilung der Tragfähigkeit durch eine fachkundige Stelle

 

Leitsatz (amtlich)

Zum gestuften Prüfungsschema anlässlich von Leistungen zur Förderung einer selbstständigen Tätigkeit nach § 16c SGB II.

 

Orientierungssatz

1. Die Voraussetzung einer hauptberuflichen Tätigkeit ist erfüllt, wenn der zeitliche Schwerpunkt auf der selbstständigen Tätigkeit liegt. Auf das zu erwartende Einkommen kommt es an dieser Stelle nicht an.

2. Der Grundsicherungsträger ist nicht berechtigt, von der Vorlage einer externen Stellungnahme zur Tragfähigkeit der selbstständigen Tätigkeit abzusehen und dem Antragsteller die eigene (vermeintliche) Kompetenz bei der Beurteilung von Unternehmenskonzepten im Rahmen einer ablehnenden Entscheidung entgegenzuhalten.

 

Tenor

I.  Der Bescheid vom 07.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2017 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen vom 23.11.2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt als Leistung zur Eingliederung von Selbständigen die Zahlung eines Sachkostenzuschusses.

Der Beklagte erbringt an den Kläger seit dem Jahr 2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Kläger bewohnt eine selbstgenutzte Eigentumswohnung (ca. 76 qm), von der aus er ein Einzelunternehmen betreibt, das bereits seit November 1985 anmeldet ist (lt. Eintrag im Gewerberegister: Propagandist, Handel mit Musikinstrumenten, Musikstunden). Am 07.11.2016 meldete er bei der Stadt A-Stadt eine Erweiterung seines Gewerbes dahingehend an, nunmehr auch einen Verlag bzw. eine Plattenfirma zu betreiben, insbesondere, um eigene Kompositionen direkt vermarkten zu können.

Anlässlich einer persönlichen Vorsprache am 23.11.2016 erläuterte der Kläger dem Beklagten sein geschäftliches Vorhaben und beantragte - unter Vorlage eines Business-Planes am 30.11.2016 - die Gewährung von Leistungen zum Ausbau dieser selbständigen Tätigkeit. Mit Schreiben vom 03.01.2017 forderte der Beklagte den Kläger auf, eine Gewinnprognose für das Jahr 2017 (monatsgenau für das Jahr 2017) unter Angabe aller zu erwartenden, geplanten Einnahmen und betriebsbedingten Ausgaben sowie eine Kapitalbedarfsübersicht für das Unternehmen vorzulegen. Hierauf reichte der Kläger am 25.01.2017 beim Beklagten eine Umsatz- und Rentabilitätsvorschau ein, ausweislich derer der Kläger im Gründungsjahr einen Jahresumsatz iHv 20.400 € (und in den Folgejahren 25.000 € bzw. 30.000 €) erwarte. Er benötige finanzielle Unterstützung, insbesondere für die Markteinführung sowie zur Anschaffung verschiedener Software und Zubehör. Den Kapitalbedarf für das erste Jahr bezifferte er mit 10.045 €.

Im Rahmen eines Beratungsgespräches am 22.02.2017 ermittelte der Beklagte nach den Angaben des Klägers einen Kapitalbedarf von 3.450 €, wobei er den Kläger darauf verwies, dass vorrangig alternative Finanzierungsmöglichkeiten auszuschöpfen seien. Zudem wurde der Kläger darauf hingewiesen, die Beratungsangebote für Selbständige der IHK C-Stadt zu nutzen.

Ohne die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vom Kläger angefordert zu haben, lehnte der Beklagte den Antrag vom 23.11.2016 mit Bescheid vom 07.03.2017 ab. Die Tätigkeit für die die Förderung beantragt werde, sei nicht als Haupt-, sondern lediglich als Nebenerwerb einzuschätzen. Insbesondere sprächen hierfür sowohl die bislang erlösten, als auch die Einschätzung in Bezug auf die zukünftigen Umsätze. Aus den vorgelegten Unterlagen sei nicht abzuleiten, dass durch die selbständige Tätigkeit die Hilfebedürftigkeit in absehbarer Zeit überwunden werden könne. Die Einnahmen seien seit einem Jahr konstant niedrig und eine Änderung sei nicht zu erwarten. Die Geschäftsidee habe keine Marktchancen, weil der Markt durch professionelle Unternehmen beherrscht werde. Auch seien die vorgelegten Unterlagen unstrukturiert und ließen keine unternehmerischen Qualifikationen erkennen. Zudem sehe die aktuelle Integrationsplanung die Aufnahme einer zumutbaren Teilzeitbeschäftigung vor, die besser geeignet erscheine, die Hilfebedürftigkeit zu verringern. Soweit die Kostenübernahme für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen begehrt werde, seien Leistungen an Selbständige, die ihre Tätigkeit bereits ausübten, gesetzlich nicht vorgesehen.

Hiergegen legte der Kläger am 13.03.2017 Widerspruch ein. Aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen sei ihm eine abhängige Beschäftigung nicht möglich. Die einzige Möglichkeit, seine Hilfebedürftigkeit zu verringern, sei die Ausweitung seiner selbständigen Tätigkeit.

Den Widerspruch wi...

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