Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Pflegequalität. Streit über die Ergebnisse der Qualitätsprüfung. Transparenzbericht. einstweiliger Rechtsschutz gegen die Veröffentlichung. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 115 Abs 1a S 6 SGB 11. Pflege-Transparenzvereinbarung stationär (PTVS). Verletzung der Berufsausübungsfreiheit

 

Orientierungssatz

1. Gegen die in § 115 Abs 1a S 6 SGB 11 vorgesehene Übertragung von Rechtssetzungsbefugnissen auf die dort genannten Vertragspartner bestehen verfassungsrechtliche Bedenken (entgegen LSG Essen vom 10.5.2010 - L 10 P 10/10 B ER = KrV 2010, 203).

2. Die Veröffentlichung eines Transparenzberichts auf der Grundlage der Pflege-Transparenzvereinbarung stationär (PTVS) führt zu einer Verletzung der in Art 12 Abs 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit des Einrichtungsträgers (entgegen LSG Essen vom 10.5.2010 aaO).

 

Tenor

Die Antragsgegner werden im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens (Az.: S 6 P 111/10 SG Münster) die Veröffentlichung des Transparenzberichts über die Pflegeeinrichtung der Antragstellerin aufgrund der MDK-Prüfung am 19. Oktober 2009 über die Internetportale der Antragsgegner - oder in sonstiger Weise - zu unterlassen. Die Antragstellerin ist vorläufig nicht verpflichtet, den Transparenzbericht in ihrer Einrichtung auszuhängen.

Die Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob die Antragstellerin im Wege einer einstweiligen Anordnung die Unterlassung der Veröffentlichung eines Transparenzberichts verlangen kann.

In dem gemäß § 72 des Sozialgesetzbuches - Elftes Buch - (SGB XI) durch Versorgungsvertrag zugelassenen Altenwohn- und Pflegeheim der Antragstellerin führte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe (MDK) im Auftrag der Antragsgegner am 19. Oktober 2009 eine Qualitätsprüfung (Regelprüfung) nach §§ 114 ff SGB XI durch.

Der auf der Grundlage des Prüfberichts erstellte, der Antragstellerin mit einem Erkennungscode zugeleitete, aber noch nicht veröffentlichte Transparenzbericht weist als Gesamtergebnis die Note "ausreichend" (4,3) aus. Der Qualitätsbereich "Pflege und medizinische Versorgung" erhielt die Gesamtnote "ausreichend" (4,4). Der Bereich "Umgang mit demenzkranken Bewohnern" wurde mit "mangelhaft" (5,0) bewertet. Im Bereich "Soziale Betreuung und Alltagsgestaltung" wurde die Einrichtung mit "ausreichend" (4,1) beurteilt. Ein "gut" (2,1) gab es für den Qualitätsbereich "Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene". Als Ergebnis der Befragung der Bewohner, das nicht in das Gesamtergebnis einfließt, wurde die Note "sehr gut" (1,3) angegeben.

Mit einem ausführlichen Schreiben vom 2. Dezember 2009 wandte sich die Antragstellerin gegen die in dem Prüfbericht aufgezeigten Mängel. Die Feststellungen der Prüfer seien weitgehend unzutreffend.

Durch den Bescheid vom 10. Februar 2010 gaben die Antragsgegner sodann der Antragstellerin auf, die vom MDK vorgeschlagenen Maßnahmen zur Beseitigung von Qualitätsdefiziten - teils ab sofort, teils unter Fristsetzung - zu treffen. Die von der Antragstellerin erhobenen Einwendungen wurden unter Berufung auf eine Rücksprache mit dem MDK Westfalen-Lippe zurückgewiesen.

Gegen den Bescheid vom 10. Februar 2010 richtet sich die am 19. Februar 2010 erhobene Klage (Az.: S 6 P 33/10) und der zugleich gestellte Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (Az.: S 6 P 34/10 ER), mit dem die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage begehrt. Ebenfalls am 19. Februar 1010 stellte die Antragstellerin den hier streitigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der den Antragsgegnern die Unterlassung der Veröffentlichung des Transparenzberichts aufgegeben werden soll. Eine entsprechende Unterlassungsklage (Az.: S 6 P 111/10) hat die Antragstellerin am 21. Mai 2010 erhoben. Die Antragstellerin trägt vor, der Transparenzbericht beruhe auf einem formell und materiell rechtswidrigen Maßnahmebescheid. Der ihm zugrunde liegende Prüfbericht vom 19. Oktober 2009 sei unzutreffend. Seine Feststellungen seien vielfach offensichtlich unrichtig. Nach dem Bericht über die unangemeldete Heimbegehung nach § 18 des Wohn- und Teilhabegesetzes NRW (WTG) vom 10. September 2009 seien gravierende Mängel nicht festgestellt worden. Es stelle sich die Frage, wie es zu so unterschiedlichen Bewertungen innerhalb sehr kurzer Zeit kommen konnte. Nach der Rechtsprechung der erkennenden Kammer (Beschluss vom 18. Januar 2010, Az.: S 6 P 202/09 ER) sei dem Antrag stattzugeben.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

1. den Antragsgegnern jedenfalls bis zur Entscheidung des Gerichts im Klageverfahren zu untersagen, den Transparenzbericht aufgrund der MDK-Prüfung am 19. Oktober 2009 im Internet oder auf anderem Wege zu veröffentlichen,

2. festzustellen, dass die Antragstellerin nicht verpflichtet sei, den Transparenzbericht in ihrer Einrichtung a...

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