Entscheidungsstichwort (Thema)

Künstlersozialversicherung. Versicherungspflicht. Kalligraf

 

Orientierungssatz

Bei der Tätigkeit als Kalligraf handelt es sich um eine künstlerische Tätigkeit im Sinne des Künstlersozialversicherungsgesetzes.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.11.2007; Aktenzeichen B 3 KS 3/07 R)

 

Tenor

I.

Der Bescheid der Beklagten vom 1. August 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2003 wird aufgehoben.

II.

Es wird festgestellt, dass der Kläger gemäß § 1 KSVG ab dem 3. April 2003 als Kalligraf der Versicherungspflicht nach dem KSVG unterliegt.

III.

Die außergerichtlichen Kosten trägt die Beklagte.

IV.

Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers für seine Tätigkeit als Kalligraf nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG).

Der 1957 geborene Kläger beantragte am 3.4.2003 seine Aufnahme in die Künstlersozialversicherung. Nach seinen Angaben hatte er nach Abitur und abgebrochenem Studium der Volkswirtschaft in K von 1980 bis 1986 als Dekorateur für Metall- und Holzornamente in Ä und anderen arabischen Staaten gearbeitet. Ab 1986 war er als Koch in Deutschland beschäftigt. Seit 1999 übte er die Tätigkeit der Kalligrafie selbstständig als Hauptberuf aus und nahm zuletzt im Rahmen dieser Tätigkeit ca. 4.000,- Euro pro Jahr ein. Sein Arbeitszimmer befände sich im häuslichen Bereich. Er sei ca. zweimal pro Jahr für ca. einen Monat beruflich im Ausland. Er sei für mehrere Arbeitgeber tätig und fertige z. B. im Rahmen kleinerer Aufträge Kalligrafien für Namensschilder, Glückwunschkarten u. ä. Bis 1999 habe er die Kalligrafie handwerklich, seit 1999 mehr künstlerisch betrieben. Er verkaufe seine Werke auf Märkten und Ausstellungen, z. B. auf dem T Festival in M. Er habe ein Hotelschwimmbad in M ausgestattet, die M-halle anlässlich einer Veranstaltung "Orient in der M-halle" ausgeschmückt und dort einen Informations- und Verkaufsstand betrieben. Weitere Ausstellungen seien in verschiedenen Galerien in M erfolgt. Belege für Einzelverkäufe von Postkarten o. ä. könne er aber nicht vorlegen. Zeugnisse über eine Ausbildung seien nicht vorhanden. Die Aufnahme in den Berufsverband bildender Künstler sei mit dem Argument abgelehnt worden, dass die arabische Kunst dem Berufsverband zu fern sei, um sie überhaupt abschätzen zu können.

Am 01.08.2003 erging ein ablehnender Bescheid der Beklagten. Voraussetzung für die Aufnahme in die Künstlersozialversicherung sei die Anerkennung als Künstler in einschlägigen fachkundigen Kreisen. Der Kläger habe keine Unterlagen vorgelegt, die auf Anerkennung in Fachkreisen als Künstler schließen lassen. Im dagegen eingelegten Widerspruch verweist der Kläger auf das hohe Ansehen der Kalligraphie als Kunst in der orientalischen Welt. Er sei ein zurückhaltender Mensch, daher gebe er keine Interviews oder ähnliches, die auf eine öffentliche Anerkennung schließen ließen. Die Aufnahme in den Berufsverband habe er nicht weiter betrieben, da ihm die Tragweite der Entscheidung nicht bewusst gewesen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2003 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Gestaltung von Texten sei keine Tätigkeit, durch die Werke der Bildenden Kunst geschaffen würden. Die einzelnen Buchstaben, auch die der arabischen Schrift, könnten und dürften nicht so weit verändert werden, dass sie nicht mehr als solche erkennbar seien. Eine gestalterische Freiheit mache eine Tätigkeit noch nicht zur künstlerischen Tätigkeit.

In der dagegen eingelegten Klage verweist der Kläger auf § 1 KSVG, wonach ausschlaggebend sei, ob ein in Ansätzen freier schöpferischer Gestaltungsspielraum zur Verfügung stehe. Die "Anerkennung in Fachkreisen" sei nur maßgeblich für die Abgrenzung von Handwerk und Kunst. Der Kläger als Autodidakt übe eine künstlerische Tätigkeit als Grafiker und Gestalter aus, mit einem Mindestmaß an schöpferischer Gestaltung durch ausgefeilte grafische Ausarbeitung in Anlehnung an ein arabisches Schriftzeichen. Die Aufnahme in den Fachverband sei nur mit Hinweis auf die Fremdheit der Tätigkeit nicht erfolgt. Der Kläger habe auch ab 2003 mehr als 3.900,- Euro jährlich verdient. Auch die Nichterwähnung der Kalligrafie im Künstlerbericht der Bundesregierung von 1975 könne nicht ausschlaggebend sein, da dieser nur positiv bestimmen könne, was als Kunst angesehen werde, der Bericht könne aber nicht negativ bestimmte Kunstrichtungen ausschließen.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 01.08.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2003 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger gemäß § 1 KSVG ab dem 3.4.2003 als Kalligraf der Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz unterliegt und die Sprungrevision zuzulassen ist.

Der Beklagtenvertreter beantragt,

die Klage abzuweisen und die Sprungrevision zuzulassen.

Die Beklagte ist der Auffassung, maßgeblich für die Einstufung als künstlerische Tätigkeit sei die inländische Verkehrs...

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