Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bei Entlassungsentschädigung. ordentliche Unkündbarkeit. Anwendung der fiktiven Kündigungsfrist. tarifvertragliche Vereinbarung. Ausschluss der betriebsbedingten Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine fiktive Kündigungsfrist greift nach § 143a Abs 1 S 3 SGB III aF nur ein, wenn die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen war. Das setzt voraus, dass jede Form der ordentlichen Kündigung ausgeschlossen war, also nicht nur die betriebsbedingte.

 

Orientierungssatz

Aktenzeichen beim LSG: L 7 AL 126/15

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.06.2018; Aktenzeichen B 11 AL 13/17 R)

 

Tenor

1. Die Bescheide der Beklagten vom 06.04.2010 und 07.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.04.2010 und des Änderungsbescheids vom 26.07.2010 werden aufgehoben, soweit darin das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 24.06.2010 bis 23.09.2010 festgestellt worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin auch für die Zeit vom 24.06.2010 bis 23.09.2010 Arbeitslosengeld in Höhe von 17,79 Euro täglich zu gewähren.

3. Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung eines Ruhenszeitraums.

Die Klägerin war seit dem 01.10.2002 bei der A-Behörde beschäftigt. Diese plante im Jahre 2009 eine größere Umstrukturierung ihrer Verwaltung. Dabei beabsichtigte sie, den Standort C-Stadt, an dem die Klägerin tätig war, zu schließen. Nach diesbezüglichen Verhandlungen zwischen der A-Behörde und ihrem Gesamtpersonalrat wurde ein Umstrukturierungskonzept beschlossen, das ein Standortkonzept, einen Sozialplan und eine Dienstvereinbarung zur Expressabfindung enthielt. Danach sollten die Arbeitsplätze der Mitarbeiter, die in C-Stadt tätig waren, ersatzlos entfallen. Für die Betroffenen sollte die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit an einem anderen Standort der A-Behörde zu unveränderten (oder notfalls zu geänderten) Bedingungen geprüft werden. Letztlich sollten betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden. Dieses Konzept wurde den betroffenen Mitarbeitern von der A-Behörde auf einer Informationsveranstaltung vorgestellt. In der Folgezeit wurde eine Vielzahl von Aufhebungsverträgen geschlossen, so dass die A-Behörde letztlich keine Kündigungen erklären musste.

Die 1957 geborene Klägerin schloss am 05.11.2009 einen Aufhebungsvertrag mit der A-Behörde. Darin wurde vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2010 beendet wird. Zugleich wurde die Klägerin mit sofortiger Wirkung von ihren vertraglichen Verpflichtungen freigestellt. Schließlich wurde Einvernehmen über die der Klägerin bis zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zustehenden Zahlungsansprüche erzielt. Danach erhielt die Klägerin eine Sozialplanabfindung in Höhe von 15.234,20 Euro brutto und eine sog. Expressabfindung in Höhe von 4.570,26 Euro brutto. Nach ihrer frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung meldete sich die Klägerin am 26.01.2010 bei der Beklagten persönlich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld ab 01.04.2010. Im Verwaltungsverfahren holte die Beklagte eine Stellungnahme der A-Behörde ein, die angab, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin wäre ohne den Abschluss des Aufhebungsvertrags zum 30.06.2010 gekündigt worden. Zuvor wäre der Klägerin ein anderer Arbeitsplatz angeboten worden, was bis zum Abschluss des Aufhebungsvertrags noch nicht möglich gewesen sei. Mit Bescheid vom 07.04.2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld in Höhe von 17,65 Euro täglich für die Dauer von 450 Tagen ab dem 01.04.2010. In der Zeit vom 01.04.2010 bis 23.06.2010 ruhe der Anspruch indes wegen des Eintritts einer Sperrzeit, die mit gesondertem Bescheid vom 06.04.2010 festgestellt wurde. In der Zeit vom 01.04.2010 bis 23.09.2010 ruhe der Anspruch zudem wegen der von der A-Behörde an die Klägerin gezahlten Entlassungsentschädigung. Dazu wurde von der Beklagten mit gesondertem Bescheid vom 06.04.2010 darauf verwiesen, die A-Behörde habe der Klägerin nicht kündigen dürfen. Deshalb sei von einer fiktiven Kündigungsfrist von 18 Monaten auszugehen. Da diese Frist nicht eingehalten worden sei, sei die gezahlte Abfindung (zu 40 %) zu berücksichtigen, um den Ruhenszeitraum des Arbeitslosengeldes zu ermitteln. Gegen die genannten Bescheide erhob die Klägerin, vertreten durch ihre Bevollmächtigten, fristgerecht Widerspruch. Diesen stützte sie u. a. darauf, durch den Abschluss des Aufhebungsvertrags sei die andernfalls einzuhaltende Kündigungsfrist nicht verkürzt worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.2010 wurde der Widerspruch gegen den Ruhensbescheid von der Beklagten als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie auf den besonderen tariflichen Kündigungsschutz der Klägerin verwiesen. Vor Ausspruch einer Kündigung habe der Klägerin von der A-Behörde zunächst ein anderer Arbeitsplatz angeboten werden müssen. Daran fehle es hier, so dass von einem z...

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