Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Bedarfsplanung. Verlegung eines Praxissitzes in einen wegen Überversorgung gesperrten Planungsbereich. keine Berücksichtigung von Härtefallgesichtspunkten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Zulassungsgremien können eine Praxisverlegung auch in einem wegen Überversorgung gesperrten Planungsbereich ablehnen, wenn der Sitz aus einem Teil mit geringerer Versorgungsdichte in einen Teil mit wesentlich höherer Versorgungsdichte verlegt wird, auch wenn der Teil mit geringerer Versorgungsdichte nach den Anhaltszahlen der Bedarfspl-RL-Ä (juris: ÄBedarfsplRL) nach Sitzverlegung noch ausreichend versorgt wäre.

2. Härtefallgesichtspunkte sind bei einer Praxisverlegung nicht zu berücksichtigen, da vertragsarztrechtlich allein Versorgungsgesichtspunkte zu beachten sind.

 

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 14.01.2014 wird abgewiesen.

2. Der Antragsteller hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Der Streitwert wird auf 1.667,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens um die Verlegung des Praxissitzes von C-Stadt nach A-Stadt.

Der Antragsteller (im Folgenden: der Kläger) ist als approbierter Psychotherapeut zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in C-Stadt, C-Straße zugelassen.

Der Kläger beantragte am 01.07.2003 die Verlegung seiner Vertragspraxis nach A-Stadt, A-Straße. Zur Begründung trug er vor, seit zwei Jahren habe er erhöhte Nebenkosten. Er fahre jährlich 12.000 bis 15.000 km, was Benzinkosten in Höhe von 3.600,00 Euro verursache. Er verliere dabei täglich 1 bis 2 Stunden an Zeit. Dadurch seien die Ausgaben im Vergleich zum Einkommen viel zu hoch. Inzwischen habe der Badearzt auch seine Räumlichkeiten gekündigt, die er mit diesem gemeinsam genutzt habe. Alleine könne er die Kosten nicht übernehmen. Seine Frau sei arbeitslos, seine Tochter noch ein Schulkind.

Der Zulassungsausschuss/Psychotherapie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen gab dem Antrag auf Verlegung mit Wirkung zum 17.10.2013 auf Grund seiner Sitzung vom 17.10.2013 statt. Die Beschlussausfertigung gab er am 04.11.2013 zur Post.

Hiergegen legte die zu 1) beigeladene Kassenärztliche Vereinigung Hessen am 05.11.2013 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, der Beschluss des Zulassungsausschusses sei ohne ihre erforderliche Anhörung erfolgt. Eine Verlegung des Praxissitzes sei nur möglich, wenn Gründe der vertragspsychologischen Versorgung dem nicht entgegenstünden. Der Planungsbereich A-Kreis sei mit einem Versorgungsgrad von 210,25 % auf dem Gebiet der psychologischen Psychotherapeuten sowie der ärztlichen Psychotherapeuten überversorgt. Im Planungsbereich A-Kreis seien mit 293.940 Einwohnern 65 psychologische Psychotherapeuten (51,75 Versorgungsaufträge) und 15 ärztliche Psychotherapeuten (12,25 Versorgungsaufträge) niedergelassen. Die Stadt C-Stadt habe 16.758 Einwohner, die nach Verlegung des Sitzes durch 7 verbleibende psychologische Psychotherapeuten (4,5 Versorgungsaufträge) versorgt werden würde. Die Entfernung von C-Stadt und dem in A-Stadt beabsichtigten Praxisstandort betrage 23,9 km. Sie führe die zeitbezogenen Kapazitätsgrenzen in Minuten sowie den Anteil der antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen und der arztgruppenspezifischen Anteil der restlichen Leistungen der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung, als auch die Anzahl der Behandlungsfälle für das Quartal IV/12 auf:

Quartal IV/12

VA

Antrags- und genehmigungs-pflichtige Leistungen

Restl. Leistungen

Summe

Behand-lungsfälle

Zeitbezogene Kapazitätsgrenze d. FG in Min.

1

27.090

3.433

30.523

Kläger

1

17.570

4.893

22.463

50

Therapeut A

1

16.100

9.537

25.637

71

Therapeut B

1

15.260

14.074

29.334

117

Therapeut C

1

13.650

4.205

17.855

36

Therapeut D

0,5

5.460

887

6.347

21

Therapeut E

0,5

8.260

1648

9.908

37

Therapeut F

0,5

10.570

3.524

14.094

31

Die zeitbezogene Kapazitätsgrenze werde zwar von den einzelnen Therapeuten nicht gänzlich erreicht, sie liege insgesamt jedoch höher als in vergleichbaren Verfahren. Eine Patientenwohnortanalyse der vom Kläger behandelten Patienten im Quartal II/13 habe ergeben, dass Patienten aus dem gesamten östlichen Gebiet des Planungsbereiches behandelt worden seien. So komme ein Großteil der Patienten aus C-Stadt (33,9 %) und der an C-Stadt angrenzenden Gemeinde A-Gemeinde (16 %), aber auch aus dem östlich von C-Stadt liegenden Städten D-Stadt, E-Stadt und F-Stadt (16 %). Mit Verlegung des Sitzes von C-Stadt nach A-Stadt lasse sich für C-Stadt und die angrenzenden östlichen Gemeinden des Planungsbereiches daher insgesamt eine Versorgungslücke feststellen. Soweit dem Kläger die Fahrstrecke zu weit sei, soll sie aber nach Ansicht des Klägers den Patienten, die zum Teil noch eine weitere Wegstrecke in Kauf nehmen müssten, zumutbar sein. Aus der von ihr vorgelegten Skizze zum Planungsbereich werde deutlich, dass sich die...

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