Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Vertragsarztes auf Verlegung seiner Vertragspraxis

 

Orientierungssatz

1. Nach § 24 Abs. 7 der Ärzte-ZV darf der Zulassungsausschuss den Antrag eines Vertragsarztes auf Verlegung seines Vertragsarztsitzes nur genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung nicht entgegenstehen. Hierbei sind ausschließlich planerische, die Sicherstellung der Patientenversorgung betreffende Umstände zu prüfen.

2. Würde die vom Vertragsarzt begehrte Verlegung des Praxissitzes zu einer weiteren Konzentration und damit zu einer Perpetuierung bereis bestehender Missverhältnisse führen, so ist eine Genehmigung ausnahmslos ausgeschlossen.

3. Bei seiner Entscheidung ist es dem Zulassungsausschuss gestattet, über den eigentlichen Planungsbereich hinaus auch die Versorgungssituation eines angrenzenden Planungsbereichs einzubeziehen. Dabei handelt es sich um zu beachtende räumliche Faktoren, wie z. B. die Erreichbarkeit und die Entfernung des Praxissitzes, welche die Frequentierung der Praxen am Vertragsarztsitz beeinflussen.

4. Andere als die Gründe der vertragsärztlichen Versorgung sind bei der nach § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV zu treffenden Entscheidung nicht berücksichtigungsfähig.

5. Der Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG lässt, beispielsweise mit Rücksicht auf schulpflichtige Kinder, eine abweichende Regelung nicht zu. Die finanzielle Stabilität und die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung rechtfertigen es, die Bedarfsplanung praktikabel und in ihren Auswirkungen überschaubar zu halten. Infolgedessen haben sich die Ausnahmetatbestände in engen Grenzen zu halten.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 5. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens über die Verlegung des Praxissitzes des Antragstellers von C-Stadt nach A-Stadt.

Der Antragsteller ist als approbierter Psychotherapeut zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in C-Stadt, C-Straße zugelassen. Am 1. Juli 2013 beantragte er die Verlegung seiner Vertragspraxis nach A-Stadt, A-Straße. Zur Begründung trug er vor, seit zwei Jahren habe er erhöhte Nebenkosten. Er fahre jährlich 12.000 bis 15.000 km, was Benzinkosten in Höhe von 3.600,00 Euro verursache. Er verliere dabei täglich ein bis zwei Stunden an Zeit. Dadurch seien die Ausgaben im Vergleich zum Einkommen viel zu hoch. Inzwischen habe der Badearzt auch seine Räumlichkeiten gekündigt, die er mit diesem gemeinsam genutzt habe. Alleine könne er die Kosten nicht übernehmen. Seine Frau sei arbeitslos, seine Tochter noch ein Schulkind.

Der Zulassungsausschuss/Psychotherapie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen gab dem Antrag auf Verlegung mit Beschluss vom 17. Oktober 2013, ausgefertigt und zur Post gegeben am 4. November 2013, mit Wirkung zum 17. Oktober 2013 statt. Hiergegen legte die Beigeladene zu 1) am 5. November 2013 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, der Beschluss des Zulassungsausschusses sei ohne ihre Anhörung erfolgt. Eine Verlegung des Praxissitzes sei nur möglich, wenn Gründe der vertragspsychologischen Versorgung dem nicht entgegenstünden. Der Planungsbereich Wetterau-Kreis sei mit einem Versorgungsgrad von 210,25 % auf dem Gebiet der psychologischen Psychotherapeuten sowie der ärztlichen Psychotherapeuten überversorgt. Im Planungsbereich Wetterau-Kreis seien mit 293.940 Einwohnern 65 psychologische Psychotherapeuten (51,75 Versorgungsaufträge) und 15 ärztliche Psychotherapeuten (12,25 Versorgungsaufträge) niedergelassen. Die Stadt C-Stadt habe 16.758 Einwohner, die nach Verlegung des Sitzes durch 7 verbleibende psychologische Psychotherapeuten (4,5 Versorgungsaufträge) versorgt werden würden. Die Entfernung von C-Stadt und dem in A-Stadt beabsichtigten Praxisstandort betrage 23,9 km. Sie führte die zeitbezogenen Kapazitätsgrenzen in Minuten sowie den Anteil der antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen und der arztgruppenspezifischen Anteil der restlichen Leistungen der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung, als auch die Anzahl der Behandlungsfälle für das Quartal IV/12 auf:

Quartal IV/12

VA

Antrags- und genehmigungs-pflichtige Leistungen

Restl. Leistungen

Summe

Behand-lungsfälle

Zeitbezogene Kapazitätsgrenze d. FG in Min.

1

27.090

3.433

30.523

Antragsteller

1

17.570

4.893

22.463

50

Therapeut A

1

16.100

9.537

25.637

71

Therapeut B

1

15.260

14.074

29.334

117

Therapeut C

1

13.650

4.205

17.855

36

Therapeut D

0,5

5.460

887

6.347

21

Therapeut E

0,5

8.260

1.648

9.908

37

Therapeut F

0,5

10.570

3.524

14.094

31

Die zeitbezogene Kapazitätsgrenze werde zwar von den einzelnen Therapeuten nicht gänzlich erreicht, sie liege insgesamt jedoch höher als in vergleichbaren Verfahren. Eine Patientenwohnortanalyse der vom Antragsteller behandelten Patienten im Quartal II/13 habe ergeben...

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