Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Urlaubsabgeltung. keine Verteilung auf sechs Monate. Wohngeldnachzahlung

 

Leitsatz (amtlich)

Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sind bis zum tatsächlichen Zufluss von Wohngeld weiter zu gewähren.

 

Orientierungssatz

1. Eine Urlaubsabgeltung stellt keine laufende, sondern nur eine einmalige Einnahme dar.

2. Der Sinn des § 11 Abs 3 S 3 SGB 2 aF gebietet keine Verteilung einer einmaligen Einnahme auf sechs Monate, wenn der Leistungsanspruch bereits durch sonstiges laufendes Einkommen entfallen ist.

 

Tenor

I. Der Bescheid vom 28.01.2016 und der Bescheid vom 07.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2016 werden abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 216,42 Euro zu zahlen.

II. Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

III. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist noch umstritten, ob Wohngeld bereits anzurechnen ist, bevor es den Klägern zugeflossen ist bzw. ob der Anspruch auf Wohngeld die Klägerin von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ausschließt.

Die 1967 geborene Klägerin beantragte am 10.12.2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für sich und ihren 1998 geborenen Sohn.

Der Sohn wohnte unter der Woche in einem Berufsbildungszentrum und erhielt von der Bundesagentur für Arbeit neben der Verpflegung im Bildungswerk Ausbildungsgeld iHv mtl. 104 EUR.

Die Klägerin hatte in den zunächst noch umstrittenen Monaten folgendes Einkommen:

Dezember 2015:

- Kindergeld iHv 184 EUR

- 457,81 EUR Arbeitslosengeld I

- Gehalt für November 2015:

o 1.859,69 brutto, 1.342,31 netto.

- Einmalzahlung für die Urlaubsabgeltung:

o 1.219,86 brutto, 696,73 netto.

Januar 2016

- Kindergeld iHv 190 EUR

- 807,90 EUR Arbeitslosengeld I

- 350,09 EUR Nachzahlung Arbeitslosengeld I

Februar und März

- Kindergeld iHv 190 EUR

- ALG I 807,90 EUR

Mit den Bescheiden vom 28.01.2016 und vom 07.03.2016 wurde der Antrag wegen fehlender Hilfebedürftigkeit abgelehnt, wobei die Klägerin erst mit dem zweiten Ablehnungsbescheid darauf hingewiesen wurde, dass sie einen Anspruch auf Wohngeld haben könnte.

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 04.02.2016 Widerspruch gegen die Ablehnung ein.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2016 als unbegründet zurückgewiesen.

Daraufhin hat die Klägerin mit Schreiben vom 16.03.2016 Klage beim Sozialgericht Landshut erhoben.

Mit Bescheid vom 07.04.2016 hat die Wohngeldstelle auf den Antrag vom 17.03.2016 hin, der Klägerin Wohngeld für die Zeit von Dezember 2015 bis Mai 2016 bewilligt. Die Nachzahlung und die laufende Leistung des Wohngeldes erfolgten erstmals im April 2016. Mit Bescheid vom 21.06.2016 hat der Beklagte der Klägerin Leistungen für den Monat Mai 2016 gewährt.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Nachzahlung des Wohngeldes sie nicht vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausschließt.

Zuletzt beantragt die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2017,

den Bescheid vom 28.01.2016 in Form des Bescheides vom 07.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2016 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin weitere 216,42 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Beim Wohngeld handele es sich um eine vorrangige Leistung. Werde die Hilfebedürftigkeit durch Wohngeld beseitigt, sei der Antrag auf Leistungen nach dem SGB II abzulehnen. Nach § 28 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gelte der Antrag auch als Antrag auf Wohngeld. Ginge man vom Zufluss aus, würde § 28 SGB X ins Leere laufen. Soweit das Gericht die Problematik daraufhin reduziere, ob es der Klägerin und dem Sohn zumutbar sei, bis zur tatsächlichen Leistung von Wohngeld zu hungern, sei darauf hinzuweisen, dass dies in der Nachbetrachtung nicht mehr entscheidend sein könne. In Not-situationen hätten die Kläger einen Vorschuss bei der Wohngeldstelle beantragen können. Im äußersten Notfall sei der gem. § 43 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) zuerst angegangene Träger zur Vorschussleistung verpflichtet. Eine solche Notsituation sei von den Klägern indes nicht geltend gemacht worden. Diese Vorgehensweise entspreche der ständigen Praxis der Jobcenter.

Der Beklagte geht davon aus, dass die nachträgliche Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II den Wohngeldanspruch ausschließt. Ansonsten komme es zu Doppelleistungen. Im Übrigen verführen alle Jobcenter wie der Beklagte. Auch die Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit halte - nach Rücksprache - das Vorgehen des Beklagten für ordnungsgemäß.

In den fachlichen Anweisungen des Beklagten ist zum Thema Wohngeld u.a. geregelt:

§ 5 Rn. 5.8 Stand 20.12.2016:

"Die Leistungen sind jedoch grundsätzlich unter Geltendmachung von Erstattungsansprüchen gegen Leistungsträger bzw. Andere vorläufig weiterzuzahlen bis die...

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