Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Befreiung von der Versicherungspflicht. angestellter Jurist bei nichtanwaltlichem Arbeitgeber

 

Orientierungssatz

Die Tätigkeit eines Syndikus im Rahmen seines Beschäftigungsverhältnisses für einen nichtanwaltlichen Arbeitgeber kann vor dem Hintergrund des Berufsrechts nicht als anwaltliche Tätigkeit qualifiziert werden. Die mit einem Beschäftigungsverhältnis verbundenen Bindungen und Abhängigkeiten stehen nicht im Einklang mit dem in den §§ 1 bis 3 der BRAO normierten Berufsbild eines Rechtsanwaltes.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für ihre Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1).

Die am 1972 geborene Klägerin ist Volljuristin und seit dem 17.01.2000 als zugelassene Rechtsanwältin Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer und des berufsständischen Versorgungswerkes, dem Beigeladenen zu 2).

Seit dem 10.01.2011 arbeitet die Klägerin als Leiterin der Abteilung Personenschadensmanagement bei der Beigeladenen zu 1), einem Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen. Sie ist gemäß ihrem Arbeitsvertrag vom 30.09.2010 als Prokuristin im Handelsregister eingetragen. Neben der Abteilungsleitung ist die Klägerin etwa die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit der Bearbeitung von Komplex- und Großschäden in den Sparten Kraftfahrt und allgemeiner Haftpflicht betraut. Nach der Stellenbeschreibung ihres Arbeitgebers obliegt ihr insoweit die selbständige und eigenverantwortliche Bearbeitung besonders anspruchsvoller und schwieriger Personenschäden von Einzelkunden sowie Groß- und Gesamtkundenverbindungen.

Für den Antrag auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erteilte die Beigeladene zu 1) der Klägerin eine unwiderrufliche Einverständnis- und Freistellungserklärung. Als Kanzleisitz gab die Klägerin gegenüber der Rechtsanwaltskammer ihre vormalige Wohnanschrift in an.

Am 22.03.2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für ihre Beschäftigung als Leiterin Personenschadensmanagement mit Gesamtprokura bei der Beigeladenen zu 1).

Mit Bescheid vom 20.05.2011 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab, da die abhängige Beschäftigung der Klägerin keine berufsständische (anwaltliche) Tätigkeit sei. Zwar könne das Befreiungsrecht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ausnahmsweise auch Rechtsanwälten zustehen, die bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber beschäftigt sind, wenn sie dort eine für einen Rechtsanwalt typische anwaltliche Tätigkeit ausüben. Zu den Kriterien, nach denen die anwaltliche Tätigkeit von einer bloßen juristischen Tätigkeit abzugrenzen sei, sollen die Tätigkeitsfelder der Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung gehören. Eine anwaltliche Tätigkeit setze immer einen beträchtlichen tatsächlichen und rechtlichen Handlungsspielraum voraus und der Versicherte müsse seine Tätigkeit gleichermaßen weisungsfrei wie ein bei einem Rechtsanwalt (idealtypisch) angestellter Rechtsanwalt ausüben können. Aus dem Gesamtbild der Tätigkeit und den eingereichten Unterlagen ergebe sich jedoch, dass die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) keine anwaltliche Tätigkeit ausübe, da diese Tätigkeit objektiv nicht zwingend die Qualifikation als Volljurist voraussetze.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.2011 als unbegründet zurück. Ergänzend führte sie aus, es sei nicht ersichtlich, inwieweit die Klägerin eine wesentliche Teilhabe an den unternehmensinternen Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen inne habe und ob die Klägerin auch rechtsgestaltend tätig werde.

Am 07.09.2011 hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, ein Rechtsanwalt könne grundsätzlich auch bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber eine anwaltliche Tätigkeit ausüben und die Befreiungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erfüllen wie es auch das Merkblatt der Beklagten von Juni 2005 formuliere. Die Vorschrift des § 46 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sehe ausdrücklich vor, dass ein Rechtsanwalt in einem ständigen Dienstverhältnis stehen könne und diese Regelung erfasse nicht nur die Angestelltentätigkeit eines Rechtsanwaltes in einer Rechtsanwaltskanzlei, sondern auch die anwaltliche Tätigkeit eines Rechtsanwaltes bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber. Auch die enge wirtschaftliche Bindung an den Auftraggeber spreche nicht gegen eine anwaltliche Tätigkeit, da auch ein selbständiger Rechtsanwalt eine enge wirtschaftliche Bindung an einen Auftraggeber haben könne, wenn beispielsweise das gesamte Umsatzvolumen auf einem Auftraggeber beruhe. Die garantierte Unabhängigkeit des Rechtsanwaltes betreffe nur die Unabhängigkeit vom Staat. Häufig stünden dem bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber angestellten Rechtsanwalt sogar weitergeh...

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