Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Freistellung von Nachforderungen des Vermieters auf Mietneben- und Heizkosten

 

Orientierungssatz

1. Nachforderungen des Vermieters auf Mietneben- und Heizkosten sind grundsätzlich als gegenwärtiger Bedarf i. S. von § 22 Abs. 1 S. 2 SGB 2 und nicht als Schulden anzusehen und vom Leistungsträger zu übernehmen, wenn sie trotz ordnungsgemäßer Zahlung der vertraglich vereinbarten monatlichen Vorauszahlungen entstehen.

2. Kosten für die Warmwasserbereitung sind keine Kosten für Unterkunft und Heizung, sondern als Kosten der Haushaltsenergie i. S. von § 20 Abs. 1 SGB 2 aus der pauschal gewährten Regelleistung, die nicht erhöht werden kann, zu decken.

3. Ohne konkrete Anhaltspunkte für ein unwirtschaftliches Heiz- und Verbrauchsverhalten des Hilfeempfängers ist eine Kürzung der monatlichen Vorauszahlungen auf die vom Leistungsträger als angemessen erachteten Richtwerte nicht zulässig.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 22.03.2010; Aktenzeichen B 4 AS 62/09 R)

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 14.06.2007 und des Widerspruchsbescheids vom 09.10.2007 verurteilt, den Klägern auf die Nebenkostenabrechnung vom 21.03.2007 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.336,00 Euro zu gewähren und diesen Betrag an den Vermieter der Kläger auszuzahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten der Kläger werden der Beklagten auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Übernahme einer Betriebs- und Heizkostennachforderung für das Kalenderjahr 2006.

Die Kläger bilden eine 9-köpfige Familie. Der am ...1965 geborene Kläger zu 1) und die am ...1970 geborene Klägerin zu 2) sind Eltern der Kläger zu 3) bis 9) (geboren am ...1990, am ...1991, am ...1995, am ...1996, am ...1999, am ...2002 sowie am ...2006). Zusammen bewohnen sie eine 114 m² große 5-Zimmer-Wohnung in einem Mehrfamilienhaus (Gesamtwohnfläche 911 m²) in Sankt Augustin. Für diese Wohnung hatten die Kläger zu 1) und 2), die gemeinsam Vertragspartner des Mietvertrages sind, im Jahre 2006 547,20 Euro Kaltmiete, 20,00 Euro für die Nutzung einer Garage und 228,00 Euro Vorauszahlung auf die Betriebs- und Heizkosten monatlich an ihren Vermieter zu zahlen. Nach einer von den Klägern eingereichten Mietbescheinigung vom 23.06.2006 waren in der Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung Kosten für die Warmwasserbereitung enthalten. Ab dem 01.01.2007 erhöhten sich die Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen auf monatlich 285,00 Euro.

Die Kläger erhalten seit dem 01.01.2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Im gesamten Jahr 2006 gewährte die Beklagte Leistungen unter Anerkennung der tatsächlichen Kosten für die Kaltmiete und der monatlichen Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung von 228,00 Euro. Seit dem 01.01.2007 gewährte die Beklagte Leistungen unter Anerkennung der tatsächlichen monatlichen Kaltmiete, monatlicher Nebenkosten von 226,85 Euro und monatlicher Heizkosten von 61,09 Euro.

Mit Schreiben vom 21.03.2007 übersandte der Vermieter der Kläger, Herr W., den Klägern die Nebenkostenabrechnung der Fa. M. GmbH für das Jahr 2006 vom 06.03.2007. Danach waren im Jahre 2006 insgesamt 897,77 Euro Heizkosten und 3.251,26 Euro Hausnebenkosten für die von den Klägern bewohnte Wohnung entstanden, wobei in den Heizkosten 226,29 Euro Kosten für die Warmwasserbereitung enthalten waren. Die Heiz- und Warmwasserbereitungskosten für die von den Klägern bewohnte Wohnung wurden dabei dergestalt berechnet, dass die gesamten für das von den Klägern bewohnte Mehrfamilienhaus angefallenen Heiz- und Warmwasserbereitungskosten zunächst nach einem Verteilungsschlüssel von 30% zu 70% in Grundkosten und Verbrauchskosten aufgeteilt wurden und sodann die Grundkosten bezogen auf die von den Klägern bewohnte Wohnfläche und die Verbrauchskosten bezogen auf die auf die Kläger entfallenden Verbrauchseinheiten ermittelt wurden. Die für das von den Klägern bewohnte Mehrfamilienhaus insgesamt angefallenen Warmwasserbereitungskosten wurden dabei pauschal ermittelt, indem 18% der gesamten Heizkosten als Warmwasserkosten zugrunde gelegt wurden. Nach Abzug der im Jahre 2006 geleisteten Vorauszahlungen von insgesamt 2.736,00 Euro (12 mal 228 Euro) ergab sich nach der Abrechnung eine Nachzahlung von 1.413,03 Euro. Der Vermieter gab den Klägern auf, die Nachzahlung bis zum 30.04.2007 auf sein Konto zu überweisen.

Die Heiz- und Betriebskostenabrechnung reichten die Kläger am 04.06.2007 bei der Beklagten ein. Mit Bescheid vom 12.06.2007, der alleine an den Kläger zu 1) adressiert war, lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten aus der Heiz- und Nebenkostenabrechnung für das Jahre 2006 ab. Zur Begründung führte sie aus, nach § 37 Abs. 2 SGB II würden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Die nach § 37 ff. SGB II erforderliche, unverzügliche Antragstellung auf Übernahme der angefallenen Kosten aus der Heiz- und Nebenkostenabrechnung 2006 sei erst am 04.06.2007 e...

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