Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Heilbehandlung. zahnärztliche Behandlung. prothetische Zahnversorgung. Notwendigkeit wegen Unfallfolgen. Arbeitsunfall. haftungsbegründende Kausalität. Konkurrenzursache. Vorschaden. wesentliche Teilursache. vorbestehende Parodontitis der unfallbedingt geschädigten Zähne. Kostenübernahme für die Zahnversorgung mit einer Zahnbrücke

 

Orientierungssatz

Zur bejahten Kostenübernahme für eine prothetischen Zahnversorgung nach einem Arbeitsunfall, wenn die unfallbedingt verletzten Zähne bereits durch eine fortgeschrittene Parodontitis vorgeschädigt waren.

 

Tenor

Der Bescheid vom 14.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2016 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin mit einer Brücke von Zahn 23 auf Zahn 27 gemäß dem Heil- und Kostenplan vom 09.11.2015 zu versorgen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Kostenübernahme für eine Zahnversorgung mit einer Brücke von Zahn 23 auf Zahn 27 im Oberkiefer der Klägerin.

Die 1974 geborene Klägerin ist als Sortiererin in einem Postzustellungsunternehmen beschäftigt. Am 22.07.2015 fiel ihr eine Paketsendung von oben in ihr Gesicht. Etwa zwei Wochen später bekam sie Zahnschmerzen und suchte am 08.09.2015 deswegen erstmals ihren Zahnarzt Dr. S. auf. Dr. S. berichtete auf Nachfrage der Beklagten über endodontische Behandlungsversuche an den Zähnen Nr. 24 und 26, die Zähne hätten letztlich extrahiert werden müssen. Er halte den Zahnersatz durch eine Brücke für angezeigt (siehe Heil- und Kostenplan vom 09.11.2015).

Mit zahnärztlicher Stellungnahme nach Aktenlage diagnostizierte T. S. in Auswertung einer Panoramaschichtaufnahme vom 04.11.2015 bei der Klägerin den Zustand einer fortgeschrittenen Parodontitis. Es fehlten die Zähne 16, 24, 28 und 46. An allen vorhandenen Zähnen bestehe ein horizontaler Knochenabbau mit vertikalen Einbrüchen und Furkationsbeteiligungen bei den Zähnen 18, 17, 26, 27, 38, 37, 36, 47 und 48. Bei Zahn 26 bestehe ein ausgeprägter Defekt im distalen Anteil der Zahnkrone. Es sei davon auszugehen, dass hier eine Füllung vorhanden gewesen sei. An dem Zahn bestehe ein vertikaler Knocheneinbruch bis zur Wurzelspitze. Die mesio-bukkale Wurzel sei vollständig von Granulationsgewebe umgeben. Der Zahn sei zum Unfallzeitpunkt aufgrund der unfallunabhängigen Vorschäden bereits als nicht erhaltungsfähig einzustufen. Der als geschädigt angegebene Zahn 24 sei zum Aufnahmezeitpunkt bereits nicht mehr vorhanden gewesen. Neben der normalen Alveole sei hier ein distal ausgedehnter transluzenter Bereich erkennbar. Es sei davon auszugehen, dass auch an diesem Zahn bereits ein periapikale Osteolyse bestanden habe und der Zahn, ebenfalls aufgrund der unfallunabhängigen Vorschäden, als nicht erhaltungsfähig einzustufen gewesen sei. Der Gesamtschadensverlauf im Zahn-, Mund- und Kieferbereich habe sich durch das Unfallereignis weder von Art und Umfang, noch von der zeitlichen Abfolge her verändert, so dass das Unfallereignis als „Gelegenheitsursache“ zu werten sei. Aufgrund der bestehenden Vorschäden an den Pfeilerzähnen sei im Übrigen die geplante Brückenversorgung eher kontrainduziert. Vor einer Zahnersatzplanung sei in jedem Fall eine parodontale Vorbehandlung indiziert.

Mit Bescheid vom 14.06.2016 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die mit Heil- und Kostenplan vom 09.11.2015 beantragte Zahnversorgung mit einer Brücke von Zahn 23 auf Zahn 27 ab. Zur Begründung wiederholte sie im Wesentlichen den Inhalt der beratungsärztlichen Stellungnahme ihres Beratungsarztes.

Hiergegen erhob die Klägerin am 07.07.2016 Widerspruch. Ihrer Auffassung nach seien die Zahnverluste rechtlich wesentlich auf das Unfallereignis zurückzuführen und nicht lediglich Gelegenheitsursache.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.10.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Deswegen hat die Klägerin am 03.11.2016 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Die Beklagte habe zu Unrecht eine Kostenübernahme für die geplante Versorgung mit einer Brücke von Zahn 23 auf Zahn 27 abgelehnt. Auch wenn die Panoramaschichtaufnahme eine Parodontitis bei der Klägerin aufweise, so sei der daraus von der Beklagten gezogene Schluss, dass sich der Gesamtschadensverlauf durch das Ereignis weder von Art und Umfang noch von der zeitlichen Abfolge her durch das Unfallereignis verändert haben solle, so pauschal nicht nachvollziehbar.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 14.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie mit einer Brücke von Zahn 23 auf Zahn 27 gemäß dem Heil- und Kostenplan vom 09.11.2015 zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen, den die Klägerin behandelnden Zahnarzt Dr. S. als sachverständigen Zeugen sowie eine Kollegin der Klägerin als Zeugin schriftlich vernommen und weitere Auskünfte vom Arbeitgeber der Kläge...

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