Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. abweichende Leistungserbringung. Erstausstattung bei Geburt. Kürzung des Pauschbetrages bei Folgegeburten

 

Orientierungssatz

Eine Kürzung der Pauschale für Erstausstattung bei Geburt nach § 24 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 2 bei der Geburt weiterer Kinder kommt nicht in Betracht, wenn im Haushalt keinerlei Erstausstattung mehr vorhanden ist.

 

Tenor

Der durch den Bescheid vom 20. Juli 2015 geänderte Bescheid vom 12. Februar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17. März 2015 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, der Klägerin über die bereits gewährte Erstausstattung bei Geburt hinaus weitere Erstausstattung für Säuglingsbekleidung in Höhe von 75€ zu gewähren.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin über die bereits gewährte Erstausstattung bei Geburt hinaus weitere Erstausstattung für Säuglingsbekleidung in Höhe von 75€ zu gewähren.

Die am X. geborene Klägerin ist italienische Staatsangehörige. Sie lebt in einer Bedarfsgemeinschaft zusammen mit ihrem Lebensgefährten, dem X. geborenen X. sowie mit den Kindern X. , X. und dem am X. geborenen X.. Sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft beziehen SGB II-Leistungen seitens des beklagten Jobcenters X.

Am 11. Februar 2015 beantragte die Klägerin Erstausstattung anlässlich der Geburt ihres dritten Kindes unter Vorlage einer gesonderten Aufstellung ihres Bedarfs.

Mit Bescheid vom 12. Februar 2015 gewährte der Beklagte der Klägerin “vollständig„ Erstausstattung bei Geburt in Höhe von 112€.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und begründete diesen im Wesentlichen damit, gemäß den Sozialhilferichtlinien von Baden-Württemberg belaufe sich der Betrag für die Gewährung einer Erstausstattung bei Geburt nicht lediglich auf 112€, sondern vielmehr auf 187€. Im Übrigen könne dem angefochtenen Bescheid weder der Name des Behördenleiters, seines Vertreters noch seines Beauftragten oder des Sachbearbeiters entnommen werden; aufgrund dessen sei das in § 33 Abs. 3 SGB X normierte Bestimmtheitsgebot nicht gewahrt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2015 wies der Beklagte den Widerspruch zurück: Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müssten bei der Bemessung eines Pauschalbetrags für die Beschaffung einer Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte berücksichtigt werden. Dabei sei grundsätzlich auch der Verweis auf gebrauchte Kleidung zulässig. Bei der Pauschale in Höhe von 187€ handle es sich um den Aufwand zur Beschaffung der notwendigen Erstausstattung bei Geburt eines Kindes laut dem vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge erstellten Katalog. Bei der Geburt eines zweiten oder weiteren Kindes im selben Haushalt liege aber in der Regel kein Bedarf einer Erstausstattung vor, da davon auszugehen sei, dass zumindest ein Teil des Bedarfs durch vorhandene Babykleider und Ausstattungsgegenstände des vorherigen Kindes gedeckt sei und demnach auch eine entsprechend verringerte Pauschale zur Deckung des neu entstandenen Bedarfs ausreichend sei. Es könne erwartet werden, dass zumindest ein Teil der vorhandenen Ausstattung bzw. Oberbekleidung (wie z.B. Hemdchen, Jäckchen, Strampler, Lätzchen, Höschen, Pullis, Ausfahrgarnituren, Babyschuhe, Strampelsack) weiter verwendet werden könne. Es sei in weiten Teilen der Bevölkerungsschicht üblich und daher auch zumutbar, dass Baby- und Kinderkleider weiter gegeben bzw. weiter verwendet würden. Mit den gewährten 60 % der Pauschale für Erstausstattung könne die Klägerin mehr als die Hälfte der Bekleidungsstücke neu anschaffen bzw. austauschen; ein darüber hinausgehender Bedarf sei nicht nachgewiesen.

Die Klägerin hat am 17. April 2015 Klage vor dem Sozialgericht Heilbronn erhoben. Sie macht geltend, sie stelle nicht in Frage, dass grundsätzlich von einer Erstausstattung für ein Baby bis zum 6. Lebensmonat in Höhe von 187€ auszugehen sei. Ihre Familienplanung sei nach der Geburt des zweiten Kindes abgeschlossen gewesen. Da auch ihre weiteren Kinder zwischenzeitlich im Kindergartenalter seien, habe sie vor der Geburt von X. nicht mehr über entsprechende Babykleidung verfügt. Hiervon hätte sich der Beklagte z.B. durch einen Außendienstbesuch vergewissern können. Die Erstausstattung für X. habe sie zwischenzeitlich (u.a. beim “K„) erworben; über entsprechende Belege verfüge sie leider nicht mehr vollständig.

Der Beklagte hat nach einem Außendienstbesuch vom 6. Juli 2015 (Bl. 970 der Beklagtenakten) mit Bescheid vom 20. Juli 2015 weitere 238€ Erstausstattung bei Geburt gewährt. Dieser Betrag setzt sich aus 8€ für 3 Fläschchen mit Sauger, 50€ für ein Kinderbett mit Rost, 45€ für eine Matratze für ein Gitterbett, 5€ für eine Wärmflasche und 130€ für einen Kinderwage...

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