Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Tilgungsraten bei der Angemessenheitsprüfung der Unterkunftskosten für eine selbstgenutzte Eigentumswohnung im Rahmen der Bewilligung von Grundsicherungsleistungen

 

Orientierungssatz

1. Die Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten nach § 22 SGB 2 ist für Mieter und Hauseigentümer nach einheitlichen Kriterien zu beantworten.

2. Zu den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, für die Grundsicherungsleistungen zu erbringen sind, gehören grundsätzlich keine Tilgungsraten (BSG Urteil vom 7. 11. 2006, B 7b AS 2/05 R).

3. Eine Ausnahme hiervon besteht, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist (BSG Urteil vom 18. 6. 2008, B 14/11b AS 67/06 R).

4. Das BSG geht bei 80 % Tilgung oder mehr des abzuzahlenden Darlehens von einer weitgehend abgeschlossenen Finanzierung des Darlehens aus.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Form der Übernahme von Tilgungsraten für ein Hausdarlehen für die Monate November 2013 bis zum 13. Mai 2014.

Die in P. am xxxxx1969 geborene Klägerin lebt seit 1990 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie hat am 03.04.2008 eine eigene Wohnung mit einer Größe von 48,93 qm zum Kaufpreis von 71.400 EUR erworben und hierfür ein Darlehen ebenfalls in der Höhe von 71.400 EUR aufgenommen. Das Darlehen schloss sie bei der I. Bank ab. Mit Stand vom 30.01.2015 bestand eine Resttilgungsschuld von 46,553,07 EUR bei einer Tilgungsrate von ungefähr 150 EUR monatlich.

Am 15.07.2013 beantragte die Klägerin Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II).

Mit Einreichung der Anlage für Kosten der Unterkunft und Heizung am 18.07.2013 beantragte sie gleichzeitig die Übernahme der Tilgungsraten des aufgenommenen Darlehens zur Wohnungsfinanzierung.

Am 19.07.2013 erging ein Bewilligungsbescheid für den Zeitraum vom 01.07.2012 bis zum 31.12.2013. Die Übernahme von Tilgungsraten wurde im Rahmen dieses Bewilligungsbescheids nicht berücksichtigt.

Am 30.11.2013 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf Übernahme der Tilgungsraten für den Zeitraum vom 01.07.2013 bis zum 31.12.2013 mit Bezugnahme auf den Antrag vom 18.07.2012 und dem Bewilligungsbescheid vom 19.07.2013.

Am 20.12.2013 stellte die Klägerin einen Weiterbewilligungsantrag für Leistungen nach dem SGB II.

Dieser wurde am 17.01.2014 für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 30.06.2016 beschieden. Im Rahmen dieser Bewilligung wurden ebenfalls keine Tilgungsraten berücksichtigt.

Gegen den Bescheid vom 17.01.2014 legte die Klägerin Widerspruch ein.

Am 30.10.2014 erging ein Widerspruchsbescheid, bekanntgegeben am 05.11.2014, mit dem der Beklagte die Übernahme von Tilgungsraten ablehnte. Er berief sich hierbei auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 22.08.2012 Az. B 14 AS 1/12 R, wonach die monatlichen Tilgungsraten für eine Immobilie nicht zu den berücksichtigungsfähigen Kosten der Unterkunft und Heizung gehören. Ausnahmen bestünden nur in besonderen Ausnahmefällen, wenn es mit Verweis auf den ausgeprägten Schutz des Grundbedürfnisses Wohnen um die Erhaltung einer Wohnung gehe, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitestgehend abgeschlossen sei. Dies sei hier jedoch nicht der Fall.

Hiergegen hat die Klägerin am 4.12.2014 Klage erhoben. Die Klägerin begründet ihre Klage im Wesentlichen damit, dass im konkreten Falle der Schutz der Erhaltung des Wohnraums Vorrang genießen müsse, vor dem Grundsatz, dass SGB II Leistungen dem Vermögensaufbau dienen sollen, insbesondere auch vor dem Hintergrund der Gleichstellung von Mieter und Wohnungseigentümer. Soweit die Kosten für Schulden und Tilgung die Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht überschreite, habe bei drohendem Wohnungsverlust bei wertender Betrachtung der Gesichtspunkt der Vermögensbildung zurückzutreten. Hierbei hat die Klägerin im Wesentlichen auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 03.12.2015 BSG B 4 AS 49/14 R, bei dem das Bundessozialgericht in einem ähnlich gelagerten Fall aufgrund des Vorrangs des Schutzes der Erhaltung des Wohnraums die Übernahme von Tilgungsraten zugesprochen habe, verwiesen.

Mit Klageeinreichung hat die Klägerin ursprünglich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin die Tilgungsanteile der monatlichen Raten in Höhe von monatlich 354,03 EUR abzüglich der geleisteten KdU-Leistungen für die Monate November 2013 bis einschließlich Mai 2014, mithin insgesamt 1079,39 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent nach Ablauf eines jeweiligen Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 11. Juni 2015 hat die Klägerin ihren Antrag in Bezug auf den Zeitraum vom 14.05.2014 bis zum 30.05.2014 zurückgenommen, da ...

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