Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Anspruchseinschränkung. Gewährung internationalen Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat der EU oder einen Drittstaat. Inhaber einer Duldung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Voraussetzungen des § 1a Abs 4 S 2 AsylbLG sind nicht erfüllt, wenn der Betroffene eine Duldung nach § 60a Aufenthaltsgesetz (juris: AufenthG 2004) besitzt und seine Leistungsberechtigung deshalb aus § 1 Abs 1 Nr 4 AsylbLG folgt.

 

Tenor

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig in der Zeit vom 1. April bis zum 30. September 2019, längstens aber bis zur Rechtskraft einer Entscheidung in der Hauptsache oder der Beendigung des Aufenthaltes des Antragstellers in der Bundesrepublik Deutschland, ungekürzte Leistungen nach § 2 Absatz 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes in Verbindung mit den Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch zu gewähren.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

 

Gründe

Der Antrag vom 26.03.2019, der in der Sache auf die Gewährung ungekürzter Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) i.V.m. den Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) zielt, ist im Hauptantrag bereits unzulässig (I.), im Hilfsantrag aber zulässig und begründet (II.).

I.

Der Hauptantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 26.03.2019 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13.03.2019 ist unzulässig. Ein Fall des § 86b Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt nicht vor. Der Antragsteller kann sein Rechtsschutzziel in der Hauptsache nicht durch eine isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) erreichen. Denn die Antragsgegnerin hat mit ihrem Bescheid vom 13.03.2019 nicht etwa eine Bewilligung über höhere Leistungen teilweise aufgehoben, sondern für einen neuen Zeitraum - ab dem 01.04.2019 für sechs Monate - Leistungen unter Berücksichtigung einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG bewilligt. Der Antragsteller wendet sich demnach nicht gegen einen Eingriff in ein bestehendes Recht, der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren durch die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung des in der Hauptsache erhobenen Rechtsbehelfs erreicht werden könnte, sondern strebt die Einräumung einer zusätzlichen Rechtsposition an.

II.

Der insoweit hilfsweise gestellte, nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller ab dem 01.04.2019 bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen nach dem SGB XII (bei der Formulierung “nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch„ handelt es sich erkennbar um ein Versehen) unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen zu gewähren, hat auch in der Sache Erfolg.

Gem. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, d.h. einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung glaubhaft zu machen.

Die ist dem Antragsteller gelungen.

Der Anordnungsgrund folgt aus dem existenzsichernden Charakter der Leistungen.

Mit Blick auf den Anordnungsanspruch hält es das Gericht nach allen derzeit erkennbaren Umständen des Falles für überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller, der noch bis Ende Juni 2018 Analogleistungen nach § 2 AsylbLG erhalten hatte, auch weiterhin Anspruch auf diese Leistungen hat. Das Gericht hat erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von der Antragsgegnerin verfügten und von ihr auf § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG gestützten Anspruchseinschränkung.

Nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG gilt Satz 1 entsprechend für Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 5 AsylbLG, denen bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem am Verteilmechanismus teilnehmenden Drittstaat i.S.v. Satz 1 internationaler Schutz oder aus anderen Gründen ein Aufenthaltsrecht gewährt worden ist, wenn der internationale Schutz oder das aus anderen Gründen gewährte Aufenthaltsrecht fortbesteht. § 1 Abs. 4 Satz 1 AsylbLG sieht eine Anspruchseinschränkung im Umfang des § 1a Abs. 2 AsylbLG für bestimmte Fälle vor, in denen ein anderer Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Der Zweck des § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG besteht in der Sanktionierung einer unerwünschten europäischen Sekundärmigration (Oppermann, in: jurisPK-SGB XII, Stand: 11.02.2019, § 1a AsylbLG Rn. 97.1).

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