Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.03.2018; Aktenzeichen B 2 U 13/16 R)

 

Tenor

Die Bescheide der Beklagten vom 30. Dezember 2013 für die Jahre 2009, 2010, 2011 und 2012 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 2014 werden aufgehoben.

Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten sich über die Versicherteneigenschaft des Klägers.

Der Kläger ist Mitglied des Vorstandes der ... Aktiengesellschaft (AG) mit Sitz in ... Unter dem 5. April 2011 schloss er mit der ... AG für die Dauer seiner Vorstandsmitgliedschaft einen Dienstvertrag zur Führung der Geschäfte des Vorstandes gemeinsam mit den weiteren Vorstandsmitgliedern, insbesondere im Aufgabenbereich "Operative Leitung und Repräsentation nach Außen". Als Vergütung war ein Bruttogehalt in Höhe von 4.000 EUR monatlich vereinbart.

Mit den zwei Bescheiden vom 30. Dezember 2013 veranlagte die Beklagte den Kläger ab dem 1. Januar 2008 nach der Gefahrtarifstelle 15 mit der Gefahrklasse 5,90 bzw. ab dem 1. Januar 2013 mit der Gefahrklasse 6,07. Mit den weiteren fünf Bescheiden vom 30. Dezember 2013 setzte sie die Beiträge für die Jahre 2008 bis 2012 gegenüber dem Kläger in Höhe von insgesamt 1.201,48 EUR fest. Hiergegen erhob der Kläger am 20. Januar 2014 Widerspruch und beantragte am 25. April 2014 vor dem Sozialgericht Halle unter dem Aktenzeichen S 33 U 55/14 ER erfolglos die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2014 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers gegen die Bescheide zurück.

Mit der am 10. Juni 2014 vor dem Sozialgericht Halle erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er ist der Auffassung, er unterliege unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Gesetzgeber habe Typisierungen zwischen Beschäftigten, Unternehmern/selbständig Tätigen sowie Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig seien, vorgenommen.

§ 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII sehe eine Pflichtversicherung für Personen vor, die schutzbedürftig seien. Daher seien nach § 4 Abs. 3 SGB VII bestimmte Berufstätigkeiten von der Pflichtversicherung ausgenommen, weil es an einer Schutzbedürftigkeit der Personengruppen fehle. Als Vorstandsmitglied einer AG sei er ebenso wenig schutzbedürftig. Während der Gesetzgeber nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 c SGB VII Personen, die in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig seien, in die Pflichtversicherung einbezogen habe, fehle es an einer entsprechenden Regelung im Gesundheitswesen bzw. der Wohlfahrtspflege. Für die übrigen Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig seien, sei vielmehr die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VII vorgesehen. Hiervon habe er jedoch keinen Gebrauch gemacht.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 30. Dezember 2013 für die Jahre 2009, 2010, 2011 und 2012 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, Vorstandsmitglieder von AGen seien in der Unfallversicherung als unternehmerähnlich Tätige anzusehen. Unternehmerähnliche Tätigkeiten in einem Unternehmen des Gesundheitswesen oder der Wohlfahrtspflege seien als selbständige Tätigkeiten im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII pflichtversichert. Der Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung gehe diese Pflichtversicherung vor. Insbesondere seien die Begriffe "soziale Schutzbedürftigkeit" und "Versicherungsbedürftigkeit" keine Merkmale des § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII. Zum einen seien solche Merkmale vom Versicherungsträger abstrakt nicht überprüfbar und daher untauglich. Auch wenn bei einem Vorstandsmitglied einer AG gemessen am Durchschnitt eher ein geringeres Versicherungsrisiko und möglicherweise eine geringe Versicherungsbedürftigkeit bestünden, könne man aber nicht davon ausgehen, dass ein Vorstandsmitglied nie versicherungsbedürftig sein könne. Auch ein Einzelunternehmer, wie z.B. ein Physiotherapeut, könne sehr viel Einkommen erzielen und sei pflichtversichert, auch wenn er sich nur sporadisch in der Praxis sehen lasse. Zum anderen komme es auf ein besonderes Risiko, auf einen besonderen Umfang der Tätigkeit oder eine besondere Versicherungsbedürftigkeit nach der bisherigen Rechtsprechung zur Versicherungspflicht nicht an. Ausnahmen vom Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII habe der Gesetzgeber ausdrücklich in § 4 Abs. 3 SGB VII getroffen. Diese Aufzählung sei erschöpfend und nicht analogiefähig. Unternehmerähnlich selbständig Tätige in Kapitalgesellschaften seien hierin nicht genannt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstan...

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