Entscheidungsstichwort (Thema)

Barmer Ersatzkasse. Versorgungsmodell ≪Integrationsvertrag≫. keine integrierte sondern hausarztzentrierte Versorgung

 

Orientierungssatz

Das durch die Barmer Ersatzkasse begründete Versorgungsmodell spiegelt keine integrierte sondern im Wesentlichen eine hausärztliche Versorgung iS des § 73b SGB 5 wider. Die vorgenommenen Kürzungen der Gesamtvergütung erweisen sich somit als rechtswidrig.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.02.2008; Aktenzeichen B 6 KA 27/07 R)

 

Tatbestand

Streitig ist die Berechtigung der Beklagten, einen Teil der Gesamtvergütung unter Berufung auf die Vorschriften über die integrierte Versorgung einzubehalten.

Die Beklagte schloss mit der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft e.G. (HÄVG) und der Marketinggesellschaft Deutscher Apotheker mbH (MGDA) im Dezember 2004 für den Zeitraum ab Januar 2005 einen “Vertrag zur integrierten Versorgung durch Hausärzte und Hausapotheken (“Integrationsvertrag") gem. §§ 140 a ff. SGB V (im Folgenden: “Integrationsvertrag"). Zur Teilnahme an dem Vertrag sind hausärztlich tätige Hausärztinnen/Hausärzte und Apotheken berechtigt. Die eingeschriebenen Patientinnen/Patienten wählen im Rahmen dieses Versorgungsmodells unter den teilnehmenden Hausärztinnen/Hausärzten und Apotheken ihre Hausärztin bzw. Hausarzt und eine Hausapotheke aus und verpflichten sich, bei der Inanspruchnahme ambulanter vertragsärztlicher Leistungen zuerst die bzw. den gewählte/n Hausärztin/Hausarzt zu konsultieren und die Fachärztin/den Facharzt nur auf deren bzw. dessen Überweisung in Anspruch zu nehmen. Gemäß § 1 des Integrationsvertrages steht im Mittelpunkt die Koordinierung, Steuerung und Begleitung der Versorgung der Patientin/des Patienten durch die Hausärztin/den Hausarzt gem. § 73 Abs. 1 a Satz 1 SGB V im Zusammenwirken mit der Hausapotheke und anderen Leistungserbringerinnen/-erbringern. Gem. § 1 des Integrationsvertrages beinhaltet der Versorgungsauftrag im Wesentlichen eine individuelle Betreuung der Patientinnen/Patienten durch die Hausärztin/Hausarzt hinsichtlich eines optimalen Behandlungsablaufs, falls die Patientin/Patient unterschiedliche Leistungserbringerinnen/-erbringer und Versorgungsebenen in Anspruch nehmen muss. Ferner ist eine aktive Zusammenarbeit zwischen Ärztin/Arzt und Apothekerin/Apotheker bei der Arzneimittelversorgung vereinbart. Diese beinhaltet, dass die Apothekerin/Apotheker für eingeschriebene Patientinnen/Patienten eine Medikationsliste anlegt und die Hausärztin/Hausarzt im konkreten Behandlungsfall Daten aus der Medikationsliste von der Apotheke anfordern kann und sich Ärztin/Arzt und Apothekerin/Apotheker dann gemeinsam über die Medikation verständigen. Die Versicherten der Beklagten müssen für den Fall der Teilnahme die Zuzahlung gem. § 28 Abs. 4 SGB V (sog. Praxisgebühr) nur einmal jährlich entrichten.

Die Beklagte kündigte gegenüber der Klägerin unter Hinweis auf den Integrationsvertrag und § 140 d Abs. 1 Satz 1 SGB V an, beginnend mit der Zahlung der Gesamtvergütung für das Quartal I/2005 eine aus dem Vergütungsvolumen abgeleitete Quote in Höhe von 0,58 % von den Abschlagszahlungen in Abzug zu bringen (Schreiben vom 26. Januar 2005). Die Klägerin bat daraufhin um weitere Informationen, da sie nicht nachvollziehen könne, auf welcher Grundlage der von der Beklagten errechnete Abzug zur Finanzierung des Vertrages notwendig sei und ob die einbehaltenen Gelder auch in Thüringen ausgezahlt würden. Im Übrigen seien Einbehalte von den zu leistenden Abschlagszahlungen unzulässig, da diese sich auf das jeweilige Vorjahresquartal beziehen würden und entsprechend den geltenden Verträgen zu berechnen seien. Die Beklagte sehe daher eine Nachzahlung für den Monat Januar bis zum 25. Februar 2005 entgegen (Schreiben vom 8. Februar 2005). Die Beklagte berief sich in dem darauf folgenden Antwortschreiben erneut auf den auch für den Vertragsbereich Thüringen abgeschlossenen Integrationsvertrag und verwies erneut auf § 140 d Abs. 1 SGB V, der die Rechtsgrundlage für einen Abzug von bis zu einem Prozent der an die Kassenärztliche Vereinigung zu entrichtenden Gesamtvergütung sei. Die Beklagte wies ferner auf eine Entscheidung des Landessozialgerichts Brandenburg vom 1. November 2004 (L 5 B 105/04 KA ER) hin, wonach die Krankenkassen den in § 140 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgelegten Höchstbetrag von einem Prozent der Gesamtvergütung unabhängig vom Abschluss von Integrationsverträgen gem. § 140 b SGB V in Abzug bringen dürften (Schreiben vom 28. Februar 2005).

Die Klägerin hat mit der am 13. September 2005 erhobenen Klage (zunächst) beantragt, die Beklagte auf der Grundlage des zwischen ihr und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossenen Gesamtvertrages vom 25.März 1999 und des Vertrages über die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahr 2004 vom 15. Dezember 2004 zu verpflichten, die im Hinblick auf den Integrationsvertrag einbehaltenen Abschlagszahlungen für die Quartale I und II/2005 sowie Juli 2005 in Höhe von insgesamt 212.000,00 Euro nebst 8 ...

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