Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsanspruch des Grundsicherungsträgers gegenüber dem Rentenversicherungsträger bei nachträglicher Rentenbewilligung. Wegfall nach der Übergangsregelung des § 79 Abs 1 SGB 2. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erstattungsansprüchen der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende gegenüber Rentenversicherungsträgern aus § 40a S 2 SGB 2 steht bei Leistung des Rentenversicherungsträgers an den Leistungsberechtigten im Zeitraum vom 31.10.2012 bis 5.6.2014 in der Regel die Vorschrift des § 79 Abs 1 SGB 2 entgegen.

2. Die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende können sich gegenüber dem rückwirkend geltenden § 79 Abs 1 SGB 2 bei Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben nicht auf das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot berufen.

 

Orientierungssatz

Az beim LSG: L 9 AS 331/15

 

Tenor

1.

Die Klage wird abgewiesen.

2.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erstattung von nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch (SGB II) gewährten Leistungen nach Gewährung einer Altersrente durch die Beklagte in Höhe von 878,67 €.

Der Kläger ist Leistungsträger nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 30. Juli 2013 bewilligte er für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2013 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an Herrn A., u.a. für August 2013 in Höhe von 798,67 € und für September 2013 in Höhe von 448,67 €. Der Beklagte gewährte Herrn A. zudem im Monat August einen Lebensmittelgutschein, der im Wert von 79,97 € eingelöst wurde. Die Ehefrau von Herrn A. bezog bereits eine Altersrente und erhielt nach § 7 Abs. 4 Satz 1 2. Alt. SGB II keine Leistungen des Klägers.

Bereits mit Schreiben vom 30. Juli 2013 meldete der Kläger bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch an.

Mit Bescheid vom 4. September 2013 bewilligte die Beklagte Herrn A. eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit rückwirkend ab dem 1. August 2013 in Höhe von 1.144,84 € monatlich. Ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 1.144,84 € für den Zeitraum vom 1. bis 31. August 2013 wurde ebenfalls an den Versicherten ausbezahlt.

Mit Schreiben vom 9. September 2013 bezifferte der Kläger gegenüber der Beklagten seinen Erstattungsanspruch zunächst mit 1.327,34 € für den Zeitraum August und September 2013.

Mit Schreiben vom 16. September 2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie unter Verweis auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 31. Oktober 2012 (B 13 R 11/11 R und B 13 R 9/12 R) einen Erstattungsanspruch an den Kläger als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht für gegeben sehe.

Daraufhin hat der Kläger am 29. Oktober 2013 Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben.

Der Kläger ist im Wesentlichen der Auffassung, die Beklagte könne sich nicht auf die Urteile des Bundessozialgerichts vom 31. Oktober 2012 in den Verfahren B 13 R 9/12 R und B 13 R 11/11 berufen. Zwar liege kein Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X vor, es bestehe jedoch ein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X. Der im Verfahren B 13 R 9/12 R vorliegende Sonderfall, dass die erwerbsunfähige Person zum einen mit einem erwerbsunfähigen Partner zusammenlebte und zum anderen die Rente nur auf Zeit bewilligt wurde, liege im vorliegenden Fall nicht vor. Der Leistungsanspruch des allein anspruchsberechtigten Herrn A. sei ab der Bewilligung der Altersrente rückwirkend entfallen. Für die Monate August und September 2013 ergebe sich ein Erstattungsanspruch auch aus § 102 SGB X, denn für diese Monate seien aufgrund der Rentenantragstellung und aufgrund der gesetzlichen Vorschrift des § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III nur vorläufig Leistungen bewilligt worden. Die für August 2013 gewährten Leistungen in Höhe von insgesamt 878,67 € (798,67 € an vorläufigen Leistungen sowie 79,97 € in Form eines Lebensmittelgutscheins) seien daher von der Beklagten zu erstatten. Die Beklagte könne sich nach Treu und Glauben auch nicht auf § 79 Abs. 1 SGB II berufen, da Sie die Unsicherheit über das Bestehen des Erstattungsanspruchs einseitig durch kaum nachvollziehbare Auslegung der Entscheidungen des Bundessozialgerichts selbst herbeigeführt habe. § 79 Abs. 1 SGB II verstoße im Übrigen gegen das Rückwirkungsverbot.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm einen Betrag von 878,67 € zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist im Wesentlichen der Auffassung, ein Erstattungsanspruch des Klägers sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in den Urteilen vom 31. Oktober 2012 ausgeschlossen. Zwar habe der Gesetzgeber zwischenzeitlich durch § 40a SGB II den Erstattungsanspruch der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende geregelt. § 79 Abs. 1 SGB II stehe jedoch einer Erstattung entgegen. Danach sei die Rückabwicklung von Fällen, in denen in der Zeit vom 31. Oktober 2012 bis zum 5. Juni 2014 bereits eine Auszahlung an die Leistungsberechtigten erfolgt sei, ausgeschlossen. Der Erstattungsanspruch des ...

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