Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Dreipersonenhaushalt in Gießen in Hessen. Angemessenheitsprüfung. schlüssiges Konzept. Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfteil

 

Orientierungssatz

1. Das Konzept des Landkreises Gießen zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten iS des § 22 Abs 1 SGB 2 ist jedenfalls für einen Dreipersonenhaushalt im Stadtgebiet Gießen schlüssig iS der Rechtsprechung des BSG.

2. Nach § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 hat der Grundsicherungsträger zu überprüfen, ob eine Wohnung, die den abstrakten Kriterien entspricht, für den Leistungsberechtigten auf dem Mietmarkt tatsächlich verfügbar und konkret anmietbar ist.

3. Die angemessene Bruttokaltmiete beträgt für einen Dreipersonenhaushalt in Gießen im Jahr 2014 unter Berücksichtigung einer Wohnflächengrenze von 75 qm 491,70 Euro.

4. Die Unterkunftskosten sind auch dann an der Angemessenheitsgrenze für einen Dreipersonenhaushalt zu messen, wenn eines von zwei volljährigen Kindern der Leistungsberechtigten gem § 7 Abs 5 SGB 2 vom Leistungsbezug ausgeschlossen ist, unabhängig davon, ob dieses Kind seinen Lebensunterhalt selbst sicherstellen kann. Bei der Frage, ob es sich bei der Ermittlung der Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs 1 SGB 2 um einen Zwei- oder Dreipersonenhaushalt handelt, wird grundsätzlich - unabhängig von der Lebensunterhaltssicherung - danach differenziert, wieviel Bewohner der Wohnung einer gemeinsamen Bedarfsgemeinschaft angehören.

4. Die Anteile an den angemessenen Kosten für die Unterkunft sind nach Kopfteilen zwischen den Wohnungsnutzer aufzuteilen. Die Aufteilung erfolgt im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen nutzen.

 

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerinnen begehren im Wege der einstweiligen Anordnung die Übernahme der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung im Rahmen der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II.

Die Antragstellerin zu 1. lebt mit ihrer 20jährigen Tochter, der Antragstellerin zu 2., und ihrem Sohn in einer 96 m2 großen Vier-Zimmer-Mietwohnung. Für diese Wohnung waren zunächst eine Grundmiete vom 498 EUR und Nebenkostenvorauszahlungen von monatlich 200 EUR zu zahlen. Seit dem 1. Juli 2015 verlangen die neuen Vermieter 50 EUR Miete mehr.

Die Antragstellerinnen erhalten als Bedarfsgemeinschaft laufend Leistungen von dem Antragsgegner.

Die Anmietung der Wohnung nahmen die Antragstellerinnen damals ohne Zustimmung des Antragsgegners vor. Auf die aus Sicht des Antragsgegners bereits damals zu hohen Kosten für Unterkunft wies der Antragsgegner bereits mit Bescheid vom 2. Oktober 2012 unter Mitteilung der damaligen auf der Wohngeldtabelle plus einem Sicherheitsaufschlag von 10 % basierenden Angemessenheitsgrenze von 526,90 EUR für drei Personen hin und übernahm für die Antragstellerinnen zu 1. und 2. zwei Drittel dieses Betrages.

Mit Schreiben vom 3. September 2013 wies der Antragsgegner die Antragstellerinnen auf die nach dem neuen bereits seit Ende 2012 anzuwendenden Konzept zu hohen Kosten hin und forderte sie zur Stellungnahme auf. Es sei eine Bruttokaltmiete von 468,29 EUR angemessen. Nachdem eine Äußerung der Antragstellerinnen nicht erfolgte, forderte der Antragsgegner die Antragstellerinnen mit Schreiben vom 10. Dezember 2013 zur Kostensenkung auf. Angemessen sei eine Bruttokaltmiete von 467,25 EUR. Seit dem 1. Juli 2014 übernahm der Antragsgegner nur noch die aus seiner Sicht angemessenen Kosten von zwei Drittel dieser Summe (311,50 EUR, Bescheid vom 15. April 2014).

Für den Monat Juni 2015 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1. zuletzt mit Änderungsbescheid vom 30. Juni 2015 Leistungen in Höhe von 599,37 EUR (381,01 EUR Regelbedarf, 9,18 EUR Mehrbedarf, 209,18 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung) und der Antragstellerin zu 2. 371,40 EUR (154,86 EUR Regelbedarf, Mehrbedarf 7,36 EUR, 209,18 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung). Für den Zeitraum Juli bis Dezember 2015 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1. zuletzt mit Änderungsbescheid vom 30. Juni 2015 Leistungen in Höhe von 617,36EUR (399 EUR Regelbedarf, 9,18 EUR Mehrbedarf, 209,18 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung) und der Antragstellerin zu 2. 376,54 EUR (160 EUR Regelbedarf, Mehrbedarf 7,36 EUR, 209,18 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung). Dabei berücksichtigte der Antragsgegner jeweils eine Bruttokaltmiete (Gesamtmiete ohne Heizkosten) in Höhe von 327,80 EUR.

Die Antragstellerin zu 2. besucht voraussichtlich bis Sommer 2016 die Fachoberschule (C.-Schule). Für sie wird monatlich 184 EUR Kindergeld und 6 EUR Leistungen nach dem BAföG gezahlt.

Der 24jährige Sohn der Antragstellerin zu 1. absolviert eine Ausbildung und erhält keine Leistungen von dem Antragsgegner.

Die Antragstellerinnen sind der Auffassung, dass das Konzept des Antragsgegners zur Ermittlung der angemesse...

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