Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. Radiojodtherapie. Berücksichtigung maßgeblicher Strahlenschutzbestimmungen. Krankenbehandlung ist primärer Zweck der stationären Aufnahme

 

Orientierungssatz

1. Aufgrund der maßgeblichen Strahlenschutzbestimmungen kann eine medizinisch indizierte Radiojodtherapie in Deutschland nur unter stationären Bedingungen erbracht werden (vgl BSG vom 9.10.2001 - B 1 KR 26/99 R = BSGE 89,34 = SozR 3-2500 § 18 Nr 8). Entsprechend ist im Rahmen der Abrechnung auch der festzusetzenden DRG ein stationärer Aufenthalt zugeordnet.

2. Bei einer Einweisung ins Krankenhaus zur Durchführung einer medizinisch indizierten Radiojodtherapie ist primärer Zweck der stationären Aufnahme die Krankenbehandlung, nicht der Schutz der öffentlichen Sicherheit auf der Grundlage der Strahlenschutzverordnung (juris: StrlSchV 2001).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.11.2015; Aktenzeichen B 1 KR 18/15 R)

 

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.836,39 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.07.2012 zu zahlen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 2.836,39 EUR festgesetzt.

IV. Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten sind die Kosten einer stationären Behandlung der bei der Beklagten versicherten J. M. (geboren am ... 1938, wohnhaft in M.) streitig.

Die Versicherte befand sich vom 19.12.2011 bis 23.12.2011 zur Behandlung einer Schilddrüsenerkrankung (Struma nodosa Grad II bis III) stationär im U.-K. D. (der Klägerin). Am 19.12.2011 wurde bei ihr die so genannte Radiojodtherapie durchgeführt.

Diese (Bestrahlungs-)Therapie wird zur Behandlung gut- und bösartiger Schilddrüsenerkrankungen eingesetzt. Sie wird als “Innere-Bestrahlung„ bezeichnet, bei der das Radiojod als Kapsel eingenommen, im Magen aufgenommen und über die Blutbahn in die Schilddrüse geleitet wird. Die radioaktive Form des Jod wird vom Körper genauso aufgenommen wie das natürliche Spurenelement Jod, das in der Nahrung vorkommt. Nach 24 Stunden hat die die Schilddrüse etwa 50 % des radioaktiven Jods gespeichert, der Rest wird über die Nieren ausgeschieden. Radioaktives Jod zerfällt mit einer Halbwertszeit von 8 Tagen (Betastrahlen werden von der Schilddrüse aufgenommen, Gammastrahlen treten aus dem Körper aus). Die Energiedosis an ionisierenden Strahlen zur Behandlung des Schilddrüsengewebes wird in Gray (GY) gemessen. Für die Versicherte wurde hier eine Erstdosis von 120 GY angesetzt.

Nach der Strahlenschutzverordnung in der Fassung vom 30. Juni 1989 (Bundesgesetzblatt I, S. 1321 ff.) in Verbindung mit der Richtlinie “Strahlenschutz in der Medizin„ (aktuell in der Fassung vom 01.10.2011) ist für diese Behandlung eine mindestens 48-stündige stationäre Aufnahme des Patienten auf einer geeigneten nuklearmedizinischen Station erforderlich, da in diesem Zeitraum mehr als 90 % der radioaktiven Ausscheidungen erfolgen.

Dem U.-K. wurde durch Bescheid vom 13.12.2011 die Genehmigung zum Umgang mit offenen radioaktiven Stoffen in der nuklearmedizinischen Therapie erteilt. Im Rahmen dieser Genehmigung erfolgte die Auflage, die Strahlenschutzverordnung und die zutreffenden Regelungen der Richtlinie “Strahlenschutz in der Medizin„ einzuhalten (7.1.6. des Genehmigungsbescheides).

Die Entlassung darf erst bei Unterschreitung eines festgelegten Wertes für die Strahlenexposition für Personen aus der Umgebung des Patienten erfolgen.

Die Versicherte wurde am 23.12.2011 unter Berücksichtigung des maßgeblichen Grenzwertes entlassen.

Mit Datum vom 28.11.2011 stellte die Klägerin die Kosten für die stationäre Behandlung gegenüber der Beklagten in Höhe von 2.836,39 € in Rechnung. Hierzu wurden bei der Versicherten folgende Diagnosen codiert:

Aufnahmediagnosen: E 04.2 Nichttoxische mehrknotige Struma

Hauptdiagnose: E 04.2 Nichttoxische mehrknotige Struma

Zusatzdiagnose: E 04.2. Nichttoxische mehrknotige Struma

Prozeduren: 3701 Szintigraphie der Schilddrüse und 853110 Radiojodtherapie: Radiojodtherapie über 1.2 bis unter 5 GBQl-131.

Die Behandlung mit der Radiojodtherapie - als solche - war medizinisch erforderlich. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Nebenwirkungen waren bei der Versicherten nicht eingetreten. Aus rein medizinischen Gründen hätte keine Notwendigkeit bestanden, die Versicherte im Nachgang der Radiojodtherapie im Krankenhaus stationär zu behandeln.

Am 17.01.2012 lehnte die Beklagte eine Zahlung der Rechnung ab. Durch Schreiben vom 12.03. und 22.03.2012 begründete die Beklagte ihre Zahlungsverweigerung. Es liege keine Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung vor; die Unterbringung erfolge allein aus Gründen der öffentlichen Sicherheit.

Mit der am 23.07.2012 erhobenen Klage macht die Klägerin die Zahlung von 2.836,39 € nebst Zinsen geltend.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Strahlenschutzverordnung i.V.m. der dazu erlassenen Richtlinie “Strahlenschutz in der Medizin„. Danach sei die erbrachte Therap...

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