Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen. Finanzierungsanteile des Arbeitnehmers am Gesamtversicherungsbeitrag des Arbeitgebers zur kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung. Steuerfreiheit. Beitragsfreiheit. Zulässigkeit der beitragsrechtlichen Rückabwicklung. Einzugsstelle ist Erstattungsschuldner

 

Orientierungssatz

1. Führt der Arbeitgeber unter Verkennung von steuerrechtlichen Bestimmungen Sozialversicherungsbeiträge ab, kann nach Klärung der Rechtsfrage durch den BFH dieses Versehen auch für die Vergangenheit berichtigt werden und Beiträge zu erstatten sein.

2. Finanzierungsanteile des Arbeitnehmers am Gesamtversicherungsbeitrag des Arbeitgebers zur kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung sind steuer- und damit beitragsfrei.

3. Zur Beurteilung der Steuerfreiheit iS von § 1 Abs 1 S 1 Nr 9 SvEV kommt es auf die materielle Rechtslage nach dem EStG an.

4. In der SvEV ist kein Grundsatz enthalten, wonach Zuwendungen iS von § 3 Nr 63 EStG nur dann nicht zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt zu zählen seien, wenn diese im Rahmen der Entgeltabrechnung vom Arbeitgeber tatsächlich und rechtlich zulässig steuerfrei behandelt würden bzw worden seien.

5. Der Beitragserstattung steht nicht der Grundsatz der Unveränderlichkeit eines bereits "abgewickelten" Versicherungsverhältnisses entgegen.

6. Die Krankenkasse schuldet als Einzugsstelle die überzahlten Beiträge nach den Gemeinsamen Grundsätzen für die Verrechnung und Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge.

7. Aktenzeichen beim LSG: L 1 KR 191/15

 

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 15.10.2013 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 04.02.2014 verurteilt, der Klägerin zu 1 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 283,83 € nebst 4 % Zinsen hieraus seit 01.01.2012 und dem Kläger zu 2 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 344,81 € nebst 4 % Zinsen hieraus seit 01.08.2011 zu erstatten. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreites der Klägerin zu 1 gegen die Beklagte tragen die Klägerin zu 1 und die Beklagte zu je ½; im Übrigen erstattet die Beklagte dem Kläger zu 2 dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu ½.

III. Der Streitwert des Rechtsstreites der Klägerin zu 1 gegen die Beklagte wird auf 283,83 € festgesetzt.

IV. Die Berufung wird zuglassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen.

Die Klägerin zu 1, ein im Vereinsregister eingetragener kommunaler Arbeitgeberverband, ist der Landesverband der kommunalen Gebietskörperschaften und Betriebe im Freistaat S. Bei ihr ist u.a. seit 01.01.2007 der Kläger zu 2 als angestellter Syndikus beschäftigt. Er ist als Rechtsanwalt von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit und war bei der Beklagten bis Ende 2010 gesetzlich krankenversichert gewesen. Einkommensabhängige Leistungen hat er nicht bezogen; einen Antrag auf Förderung nach § 10a Einkommenssteuergesetz (EStG) hat er nicht gestellt. Die Klägerin zu 1 hat zugunsten ihrer Arbeitnehmer - darunter auch dem Kläger zu 2 - einen Gruppenversicherungsvertrag zur betrieblichen Altersversorgung bei der Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbands (ZVK) S. abgeschlossen; nach Ablauf einer Wartezeit steht dem begünstigten Beschäftigten ein Anspruch auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung gegen die ZVK zu. Nach der zwischen der Klägerin zu 1 und der ZVK abgeschlossenen Beteiligungsvereinbarung iVm § 13 Abs. 1 Satz 1, 16 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der ZVK ist die Klägerin zu 1 alleinige Schuldnerin der Versicherungsbeiträge. Diese betragen u.a. für das kapitalgedeckte System (Abrechnungsverband II) 4 vH des zusatzversorgungspflichtigen Arbeitsentgelts des Arbeitnehmers. Arbeitsvertraglich wurde zwischen der Klägerin zu 1 und ihren Arbeitnehmern - auch dem Kläger zu 2 - vereinbart, dass die Arbeitnehmer einen Eigenanteil zu den Versicherungsbeiträgen der Klägerin zu 1 zur kapitalgedeckten betrieblichen Altersvorsorge (im folgenden: Finanzierungsanteil) zahlen, ab 01.01.2007 in Höhe von 1,1 vH, ab 01.07.2007 in Höhe von 2 vH des zusatzversorgungspflichtigen Arbeitsentgelts (vgl. § 37a des Tarifvertrages über die zusätzliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes - Altersvorsorge-TV-Kommunal - ATV-K). Den Finanzierungsanteil des Klägers zu 2 behielt die Klägerin zu 1 bei der Gehaltsabrechnung ein und führte ihn - zusammen mit ihrem Anteil am Gesamtversicherungsbeitrag - an die ZVK ab. Die Klägerin zu 1 berechnete die auf das Arbeitsentgelt zu zahlenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge und führte an die beklagte Einzugsstelle sowohl den Arbeitgeber- als auch den Arbeitnehmeranteil am Sozialversicherungsbeitrag zur Gesetzlichen Krankenversicherung, Sozialen Pflegeversicherung und zur Arbeitsförderung ab. Dabei rechnete sie in das zu verbeitragende Arbeitsentgelt auch den Finanzierungsanteil des Klägers zu 2 zu der kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung mit ein.

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