Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. Versorgung mit einer Echthaarperücke. Wirtschaftlichkeit

 

Orientierungssatz

Eine Versicherte hat Anspruch auf Versorgung mit einer Echthaarperücke, wenn diese im Vergleich zu einer Kunsthaarperücke zwar die teurere, aber mindestens doppelt so lange haltbare Form der Versorgung darstellt.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 15.06.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2018 verurteilt, der Klägerin die weiteren Kosten für die Perückenversorgung in Höhe von 397,40 € abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung zu erstatten.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von 397,40 € für die Mehrkosten einer Echthaarperücke.

Die 1978 geborene Klägerin ist gesetzliches Mitglied der beklagten Krankenkasse. Sie leidet an der Erkrankung Alopezia totalis   und trägt dauerhaft einen Haarersatz. In der Vergangenheit vor der hier strittigen Versorgung bewilligte die Beklagte am 29.2.2016 den Festbetrag für eine Kunsthaarperücke. Die Klägerin wählte stattdessen eine Echthaarperücke und zahlte die Differenz selbst. Sodann verordnete ihre Ärztin am 24.05.2017 als Folgeversorgung wiederum eine Kunsthaarperücke. Die Klägerin ließ sich vom Friseur- und Perückenstudio C. stattdessen mit einer Echthaarperücke zum Preis von 802,00 € versorgen. Das Datum der Erteilung des Auftrags durch die Klägerin und das Datum der Entgegennahme der Perücke ist strittig. Am 14.06.2017 gingen die ärztliche Verordnung und der Kostenübernahmeantrag nebst Kostenvoranschlag für den Haarersatz zunächst noch über 910,00 € bei der Krankenkasse ein. Mit Bescheid vom 15.06.2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie Kosten in Höhe von 404,60 € für eine Perücke in Maßkonfektion übernehme. Den Widerspruch der Klägerin, den diese damit begründete, dass sie einen Anspruch auf eine Echthaarperücke habe und deswegen die Bewilligung eines Teilbetrags rechtswidrig sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2018 zurück. Zur Begründung führte sei aus, dass es sich um ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich handle, weil der vollständige krankheitsbedingte Haarverlust bei einer Frau eine Behinderung im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V darstelle. Der Anspruch gehe dahin, dass von der Krankenkasse die Versorgung mit einer Perücke zu verlangen sei, die den Verlust des natürlichen Haupthaars für einen unbefangenen Betrachter nicht sogleich erkennen lasse. Dagegen bestehe kein Anspruch auf eine möglichst vollständige Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes. Um eine wirtschaftliche Versorgung zu gewährleisten, habe die Krankenkasse vertragliche Vereinbarungen mit Hilfsmitteldienstleistern geschlossen, die die Versorgung mit einer optisch einwandfreien Kunsthaarperücke mit ausreichendem Tragekomfort zum Preis von 404,60 € sicherstelle. Sofern die Klägerin darüber hinaus eine aufwändigere Versorgung gewählt habe, fielen diese Kosten in ihren eigenverantwortlichen Bereich. Daneben seien Echt- und Kunsthaarperücken nicht nur vom äußerlichen Aspekt her nicht zu unterscheiden, denn beide seien handgeknüpft und wiesen die gleichen Monturen auf. Kunsthaarperücken seien auch leichter als Echthaarperücken, was den Tragekomfort erhöhe. Sowohl aus dermatologischer als auch aus allergologischer   Sicht sei hinsichtlich der Verträglichkeit einer Perücke die Montur, d.h. der Haarträger, der aus unterschiedlichen Textilgeweben bestehen könne, entscheidend und nicht die Beschaffenheit des Haares. Eine Kunsthaarperücke sei ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich. Im Übrigen betreffe die ärztliche Verordnung vom 24.05.2017 ausdrücklich eine Kunsthaarperücke.

Die Klägerin hat fristgerecht am 17.04.2018 Klage erhoben. Die Klägerin bestreitet nicht, dass die Hilfsmittelversorger für den bewilligten Betrag von 404,60 € eine maßgefertigte Kunsthaarperücke liefern würden. Sie trägt allerdings vor, dass die Verträge zwischen der Krankenkasse und den Leistungserbringern nicht gegen sie wirken dürften. Für den gewährten Betrag von 404,60 € sei keine Versorgung mit einem ausreichenden und zweckmäßigen medizinischen Echthaarersatz möglich. Die Klägerin habe unstrittig einen Eigenanteil von 397,40 € (Gerichtsakte S. 8) bezahlt. Des Weiteren stellt die Klägerin klar, dass sie die Perücke nicht am 01.06.2017 sondern erst am 16.09.2017 erhalten und bezahlt habe. Die Perücke sei auch erst bestellt worden, nachdem das Schreiben der KKH mit der Kostenübernahme für 404,60 € eingegangen sei. Die Klägerin bezieht sich auch auf die Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts (Urt. v. 15.08.2019, L 9 KR 728/17).

Nach dem hier strittigen Zeitraum wurde am 19.10.2018 erneut der Festbetrag für eine Kunsthaarperücke bewilligt. Auch insoweit entschied sich die Klägerin für eine Echthaarversorgung und zahlte die Differenz selbst.

Die Kl...

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