Entscheidungsstichwort (Thema)

Übernahme der ungedeckten Heimkosten eines behinderten Bedürftigen durch den Sozialhilfeträger

 

Orientierungssatz

1. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es nach § 53 Abs. 3 SGB 12 u. a., den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern und ihn so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.

2. Führt bei einem behinderten Menschen mit einer paranoiden Persönlichkeitsstörung jede Veränderung in seiner Umgebung zu einem grundsätzlichen Misstrauen und hat er in einer beschützenden Wohngruppe seinen Platz dergestalt gefunden, dass alle mit seiner Erkrankung umgehen können, so hat er Anspruch darauf, dass das soziale Umfeld aufrecht erhalten wird. Dies hat zur Folge, dass die ungedeckten rückständigen und laufenden Heimkosten vom Träger der Sozialhilfe zu leisten sind.

 

Tenor

1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die rückständigen, ungedeckten Heimkosten nebst der laufenden, ungedeckten Heimkosten an den Antragsteller zu Händen des Leistungserbringers nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu leisten.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Übernahme der offenen rückständigen und laufenden Heimkosten bei schon ausgesprochener Heimkündigung.

Der Antragsteller lebt in dem Wohnheim S-straße 1 in I. Betreiber dieser Einrichtung ist die A J gGmbH. Bis Ende Januar 2014 war es dem Antragsteller noch möglich, die monatlichen Heimkosten in Höhe von ca. 4.240 Euro aus dem eigenen Einkommen und Vermögen zu tragen. Mittlerweile sind über 29.000 Euro offen. Die Kündigung des Heimplatzes wurde ausgesprochen.

Für die Einzelheiten wird auf die Antragsschrift vom 13.05.2015 Bezug genommen.

Die Beteiligten streiten darum, ob der Antragsteller aufgrund einer paranoiden Persönlichkeitsstörung der Eingliederungshilfe bedarf oder ob er hauptsächlich unter altersbedingter Demenz leide.

Der Antragsgegner hat sich im Verwaltungsverfahren dahin geäußert, der Antragsteller sei seinerzeit als Selbstzahler ohne fachlich Prüfung durch den örtlichen Sozialhilfeträger in die Wohngruppe eingezogen. Eine Zuordnung der hier bestehenden umfangreichen Hilfebedarfe, die alle Lebensbereiche beträfen, sei aus fachlicher Sicht nicht mehr dem Bereich der teilhabesichernden stationären Wohnhilfen auf der Grundlage der §§ 53 ff. SGB XII zuzuordnen. Wegen der unzweifelhaft bestehenden altersbedingten Demenz sei es kaum möglich, die hier vorliegenden Aufsichts- und Kontrollbedarfe gerade auch unter Berücksichtigung des voranschreitenden Alters des Antragstellers nicht auch der dementiellen Entwicklung zuzuordnen. Die Verhaltensauffälligkeiten und Aggressionspotentiale usw. seien typische Symptome einer Demenz. Für die Einzelheiten wird auf das verwaltungsinterne Schreiben des Antragsgegners vom 18.07.2014 Bezug genommen.

Der Antragsteller begehrt nun einstweiligen Rechtsschutz, nachdem sein Antrag auf Eingliederungshilfe vom 31.01.2014 noch nicht beschieden wurde.

Der Antragsteller beantragt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes,

die Kosten für die Heimunterbringung des Antragstellers zu übernehmen.

Der Antragsgegner hat sich binnen der gesetzten Frist nicht geäußert und auch nicht die Verwaltungsakten übersandt.

Der Antragsteller hat nun am heutigen Tage auf gerichtliche Aufforderung drei Gutachten, die anlässlich von amtsgerichtlichen Betreuungsverfahren erstellt wurden, vorgelegt, wonach der Antragsteller unter einer paranoiden Persönlichkeitsstörung leidet. Auf den Inhalt der drei Gutachten wird für die Einzelheiten Bezug genommen.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Verfahrensakte S 2 SO 162/15 ER Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.

Gemäß § 86 b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.

Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnu...

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