Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Anspruchseinschränkung. selbst zu vertretende Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Befristung nach § 14 AsylbLG. Verfassungsmäßigkeit. Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Verhältnismäßigkeit

 

Orientierungssatz

Bei einer Leistungseinschränkung nach § 1a Abs 3 AsylbLG hat der Leistungsträger sowohl eine nach § 14 AsylbLG notwendige Befristung vorzunehmen als auch verfassungsrechtliche Beschränkungen zu beachten.

 

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 27. März 2021 (39 AY 45/21) gegen den Bescheid vom 26. Februar 2021 in Fassung des Bescheides vom 13. April 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2021 wird insoweit angeordnet, als eine Leistungskürzung im März 2021 und über den 31. Mai 2021 hinaus vorgenommen wird und insoweit, als die Kürzung in den Monaten April und Mai 2021 - ausgehend von den Bedarfen nach §§ 3, 3a AsylblG - über eine Höhe von 109,20 € hinaus erfolgt. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 90 %.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Absenkung der ihm nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylblG) gewährten Leistungen nach § 1a AsylblG.

Der Antragsteller hat die türkische Staatsangehörigkeit und lebt seit 1996 in der Bundesrepublik. Der Antragsteller ist mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten, so dass das Landgericht Bremen den Antragsteller zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten (60 KLs 902 Js 22694/15) verurteilte. Mit Bescheid vom 27. März 2019 wies der Senator für Inneres - Referat 24 den Antragsteller für die Dauer von 6 Jahren aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller vor dem Verwaltungsgericht Bremen Klage (4 K 749/19) und, nachdem der Senator für Inneres dem Antragsteller die Abschiebung aus der Strafhaft mitteilte, auch einen Eilantrag (4 V 1497/19), den das VG Bremen ablehnte.

Im August 2019 stellte der Antragsteller sodann einen Asylantrag, den er u.a. mit einem Polizeigewahrsam im Jahr 1995 und Folter durch das türkische Militär begründete. Mit Bescheid vom 18. Februar 2020 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, Asylanerkennung und auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab. Zugleich stellte das BAMF fest, dass Abschiebeverbote nicht vorliegen und forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland binnen einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen. Ein dagegen geführtes Eilverfahren vor dem VG Bremen (2 V 361/20) hatte keinen Erfolg.

Mit Schreiben vom 21. Juli 2020 forderte der Senator für Inneres - Referat 24 den Antragsteller auf, bis zum 17. August 2020 ein gültiges Reisedokument vorzulegen und der Behörde zu überlassen bzw. sollte ein solches Dokument nicht vorliegen, alle Urkunden und sonstigen Unterlagen, die Rückschlüsse auf Identität und Nationalität zulassen, vorzulegen. Daraufhin teilte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 23. Oktober 2020 mit, dass der Antragsteller nicht wisse, wo sich sein Pass befinde. Er sei grundsätzlich bereit, sich bei der türkischen Botschaft vorzustellen, dies sei jedoch wenig erfolgversprechend, da ihm ohne gültigen Pass der Zutritt zur Botschaft verwehrt werde. Daraufhin forderte der Senator für Inneres den Antragsteller mit Schreiben vom 23. Oktober 2020 erneut zur Mitwirkung auf, der Antragsteller habe einen bis Juli 2021 gültigen Pass, der vorzulegen sei; andernfalls habe er sich um einen neuen Pass zu bemühen. Die Ausführungen hinsichtlich der türkischen Botschaft werden nicht geteilt.

Seit Oktober 2020 werden dem Antragsteller lediglich Duldungen mit ungeklärter Identität und ohne Gestattung einer Erwerbstätigkeit erteilt. Deshalb gab der Antragsteller seine Tätigkeit bei der Firma XY im Oktober 2020 auf und beantragte die Gewährung von Leistungen nach dem AsylblG. Er reichte u.a. einen im September 2019 mit seinem Neffen geschlossenen Mietvertrag für eine Wohnung in der A-Straße in A-Stadt ein. Es wurde eine Grundmiete i.H.v. 234 € sowie eine Betriebskostenvorauszahlung i.H.v. 42 € vereinbart.

Mit Bescheid vom 2. Dezember 2020 gewährte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen nach § 3 Abs. 1 und 2 AsylblG ab dem 1. Dezember 2020 i.H.v. 627 €. Zugleich lehnte der Antragsgegner die Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylblG ab, da die durch den Antragsteller verbüßte Haftstrafe ein rechtsmissbräuchliches Verhalten i.S.d. § 2 AsylblG darstelle.

Mit Schreiben vom 2. Februar 2021 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zu einer geplanten Absenkung der Leistungen auf das Niveau nach § 1a Abs. 3 AsylblG an. Zur Begründung führte er aus, der Antragsteller sei vollziehbar ausreisepflichtig und käme seiner Mitwirkungspflicht nicht nach. Daher sei beabs...

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