Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung eines aus der Ansparung von Leistungen der Grundrente nach dem BVG herrührenden Vermögens bei der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB 12

 

Orientierungssatz

1. Bei der Bewilligung von Leistungen der Sozialhilfe ist nach § 90 Abs. 1 SGB 12 das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Hierzu zählt auch das Vermögen, welches aus der Ansparung von Leistungen der Grundrente nach dem BVG herrührt.

2. Die Sozialhilfe darf nach § 90 Abs. 3 S. 1 SGB 12 nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde.

3. Mit der Neufassung von § 25f Abs. 1 BVG bestätigt der Gesetzgeber, dass Ansparungen aus Leistungen nach dem BVG zum verwertbaren und einzusetzenden Vermögen gehören. Damit gelten alle Ansparungen aus Leistungen nach dem BVG bei nicht ausschließlich schädigungsbedingten Bedarfen als verwertbares Vermögen oberhalb der Vermögensschongrenze. Ansparungen aus der Grundrente sind davon erfasst.

4. Ziel der fürsorgerischen Leistungen der Kriegsopferfürsorge ist es nicht, einen Vermögensaufbau über die in der Kriegsopferfürsorge geltenden großzügigen Vermögensschonbeträge hinaus zu ermöglichen.

5. Damit kann seit dem 1.7.2011 der Einsatz von Vermögen aus der Ansparung von Leistungen nach dem BVG nicht mehr als eine Härte i. S. des § 90 Abs. 3 SGB 12 gewertet werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.04.2020; Aktenzeichen B 8 SO 12/18 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII ursprünglich ab Februar 2012 ohne zeitliches Ende und später begrenzt auf die Zeit vom 1. Februar 2012 bis zum 30. April 2013.

Die am 14. September 1989 geborene Klägerin ist schwerbehindert mit einem GdB 50 seit dem 27. April 1999. Sie leidet unter psychoreaktiven Störungen. Sie bezieht seit dem 1. April 1999 eine Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz aufgrund einer Straftat seitens des Vaters. Mit dem Bescheid des Versorgungsamtes Braunschweig vom 29. Juli 2004 wurde die Gewährung einer Beschädigtenversorgung ab dem 1. April 1999 mit einer MdE gem. § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) von 50 v.H. zugesprochen. Aufgrund dessen wird eine monatliche Grundrente von ursprünglich 218,00 €, jetzt 228,00 € gewährt. Die laufende Zahlung begann zum September 2004, zusätzlich erfolgte eine Nachzahlung 11.554,00 € für die Zeit seit dem 1. April 1999.

Vor der Aufnahme in das Kinderhaus H. in K. wohnte die Klägerin in Alfeld. Seit dem 16. Oktober 2011 bewohnt die Klägerin eine eigene Wohnung in K.; dieses Wohnen wird ambulant betreut. Außerdem ist sie seit dem 1. März 2010 im Bildungsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen der Lebenshilfe L. gGmbH tätig. Seit dem 1. Februar 2008 wird sie von ihrer Betreuerin Frau G. unterstützt.

Am 2. Februar 2012/17. Februar 2012 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Dabei gab sie bezogen auf ihr Einkommen und Vermögen an, dass sie ein Erwerbseinkommen von 75,00 € und eine Opferentschädigungsrente von 228,00 € erhalte. Daneben verfüge sie auf mehreren Sparkonten über ein Vermögen von 19.559,50 €, das aus den Leistungen der Opferentschädigungsgrundrente gebildet worden sei; diese Gelder habe sie in der Zeit ihrer Vollversorgung vor dem Bezug einer eigenen Wohnung kaum benötigt, sodass sie diese habe sparen können.

Mit dem Bescheid vom 2. März 2012 lehnte der Beklagte die Gewährung von Grundsicherungsleistungen wegen vorhandenen und einsetzbaren Vermögens von 17.203,34 € oberhalb der Vermögensfreigrenze von 2.600,00 € ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 25. März 2012, in dem betont wurde, dass die Gelder auf den Sparbüchern nicht anzurechnen seien, wies der Beklagte durch seinen Widerspruchsbescheid vom 5. September 2012, zugestellt am 8. September 2012 zurück, weil nach § 90 Abs. 1 SGB XII das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen sei und auch keine besondere Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII vorliege. Dabei verwies er auch auf den § 25 f Absatz 1 BVG in der seit dem 1. Juli 2011 geltenden Fassung, wonach das gesamte verwertbare Vermögen einschließlich der Ansparungen aus Leistungen nach dem BVG einzusetzen sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 8. Oktober 2012 beim Sozialgericht Hildesheim Klage eingereicht, die durch den Beschluss vom 26. Oktober 2012 an das Sozialgericht Braunschweig verwiesen worden ist. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, es liege eine Härte nach § 90 Abs. 3 SGB XII vor. Es könne nicht sein, dass das Opferentschädigungsgesetz eine Leistung aufgrund einer harten, persönlichen Schädigung zuerkennt und im SGB XII diese Leistungen wieder dem Geschädigten genommen werde. Auch könne die Sparsamk...

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