Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlichkeitsprüfung. kein Regress wegen Verordnung onkologischer Begleitmedikamente. Herstellung von infusionsfertigen Lösungen durch Apotheke. Vertragsärztliche Versorgung

 

Orientierungssatz

1. Die rezepturmäßige Verordnung von Bisphosphonaten zur Herstellung in der Apotheke stellt keinen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot dar.

2. Zur Vermeidung von Medikationsfehlern und zur Gewährleistung der Patientensicherheit ist die patientenindividuelle Herstellung aller im Rahmen einer onkologischen Therapie eingesetzten parenteralen Zubereitungen (Parenteralia sind sterile Zubereitungen, die zur Injektion, Infusion oder Implantation bestimmt sind) unter qualitätsgesicherten und validierten Bedingungen notwendig. Diese Bedingungen kann in der Regel nur eine Apotheke sicherstellen, nicht aber der niedergelassene Arzt.

3. Die Herstellung entsprechender Infusionslösungen ist keine vertragsärztliche Leistung, sondern unterfällt vielmehr ausdrücklich der pharmazeutischen Tätigkeit im Sinne von § 3 Abs 4 Apothekenbetriebsordnung.

 

Tenor

Der Beschluss des Beklagten zu 2) vom 10. Mai 2010 wird aufgehoben. Der Beklagte zu 2) wird verpflichtet, den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 5. Oktober 2009 aufzuheben.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 2) je zur Hälfte, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Regress wegen der Herstellung onkologischer Begleitmedikamente (unter anderem das Biphosphonat Pamidronsäure/Aredia) als infusionsfertige Lösung in der Apotheke.

Mit Prüfantrag vom 11. September 2008 beantragte die Beigeladene zu 2) bei der Beklagten zu 1) die Festsetzung eines Schadens von 897,37 Euro (Verordnungsquartal III/2007) für die Versicherten I B., M G., D G., R K. und E R. Zur Begründung führte sie aus, dass onkologische Begleitmedikamente als in der Apotheke hergestellte Individualrezepturen zur Infusion verordnet worden seien. Die eingesetzten Wirkstoffe könnten zum großen Teil durch den Arzt in Form der jeweiligen Fertigarzneimittel als Injektion verabreicht werden. In den Fällen, in denen eine Kurzinfusion zweckmäßiger erscheinen würde, könnten die eingesetzten Wirkstoffe der geeigneten Trägerlösung zugespritzt werden, da von diesen Stoffen kein Gefährdungspotential ausgehen würde - es handele sich ausnahmslos um keine zytotoxischen Substanzen. Die individuelle Zubereitung als Rezeptur in der Apotheke sei mit erheblichen Mehrkosten verbunden, da die Fertigarzneimittel wesentlich preisgünstiger seien. In der Regel sei die Verordnung als Rezeptur bei Erwachsenen nicht notwendig und daher unwirtschaftlich.

Mit Schreiben vom 22. Januar 2009 setzte die Beklagte zu 1) die Klägerin von diesem Prüfantrag in Kenntnis und bat gleichzeitig um Mitwirkung an der Sachaufklärung. Die Ärzte der klägerischen Gemeinschaftspraxis erklärten im Folgenden unter anderem, dass sich die Patientinnen aufgrund eines Mammakarzinoms in regelmäßiger fachärztlicher und onkologischer Betreuung befinden würden. Leitliniengerecht seien die Patientinnen mit einer adjuvanten Chemotherapie therapiert worden. Wenn sie, wie von der Beigeladenen zu 2) gefordert, Dexamethason, Granisetron oder Mesna in ihrer Praxis ansetzen und verabreichen würden, müssten sie auf den Namen eines jeden Patienten entweder eine einzelne Packung mit einer Ampulle der betroffenen Arzneimittel oder als wirtschaftlichere Alternative eine Packung mit fünf oder zehn Ampullen Dexamethason, Granisetron oder Mesna verordnen. Eine Packung mit fünf oder zehn Ampullen werde jedoch in den meisten Fällen nicht aufgebraucht, zum Beispiel wenn der Patient die Therapie abbrechen müsse. In diesen Fällen müssten die verbliebenen Ampullen der größeren Packung weggeworfen werden und würden dennoch mit dem vollen Preis bei dem Kostenträger zu Buche schlagen. Des Weiteren sei eine aseptische Herstellung in der Apotheke erforderlich. Es könne nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich bei den Patienten, denen neben der Chemotherapie Dexamethason, Granisetron und Mesna regelmäßig verabreicht werde, um Tumorpatienten handele, die immunkompromittiert oder sogar immunsupprimiert seien. Gerade bei diesen Patienten sei die Herstellung von Infusionen unter optimalen Bedingungen erforderlich, um auch nur die geringste Gefahr einer Infektion soweit wie möglich zu reduzieren.

Mit Beschluss vom 5. Oktober 2009 (ausgefertigt am 19. November 2009) und bei den Bevollmächtigten der Klägerin eingegangen am 23. November 2009) setzte die Beklagte zu 1) eine Ersatzverpflichtung gegenüber der Klägerin in der von der Beigeladenen zu 2) beantragten Höhe fest. Zur Begründung führte sie aus, dass es sich bei den verordneten onkologischen Begleitmedikamenten nicht um Zytostatika handele, bei deren Herstellung hochkomplexe Sicherheitsmaßnahmen erforderlich seien, die nur in einigen spezialisierten Apotheken gewährleistet werden könnten. Eine Anferti...

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