Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. unangemessene Unterkunftskosten. Kostensenkungsverfahren. Ablauf der Übergangsfrist. Begrenzung der Kostenübernahme auf die angemessenen Unterkunftskosten. Betriebs- und Heizkostennachzahlung in späterem Bewilligungszeitraum

 

Orientierungssatz

Wurde die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung nach Ablauf des Übergangszeitraum des § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 auf die nach dem Konzept des Grundsicherungsträgers angemessenen Kosten begrenzt, so steht dies der Übernahme der im späteren Bewilligungszeitraum fällig werdenden Nachforderung von Betriebs- und Heizkosten nach Jahresabrechnung nicht entgegen.

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 11.9.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2013 verurteilt, die Betriebs- und Heizkostennachforderung 2012 in Höhe von 187,29 € zu übernehmen.

Der Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Übernahme einer Betriebs- und Heizkostennachforderung trotz Absenkung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung auf die Richtwerte der bis 30.4.2012 angewandten AV-Wohnen und der seit Mai 2012 geltenden WAV.

In Umsetzung einer Kostensenkungsaufforderung bezog der Kläger von Januar bis April 2012 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 378 €. Ab Mai 2012 wurde zunächst der Wert der WAV ohne Warmwasserzuschlag (= 396 €) zugrunde gelegt. Mit einem Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X erstritt der Kläger eine Erhöhung der KdU-Leistungen auf 415,80 € (378 € + 10% Zuschlag) von Januar bis April 2012 und von 445,50 € (405 € + 10% Zuschlag ab Mai 2012.

Für seine seit Juni 1995 bewohnte Sozialwohnung mit 45,25 qm Fläche zahlte er von Januar bis September 2012 insgesamt 461,18 € Miete. Ab Oktober 2012 wurde die Miete wegen des Wegfalls öffentlicher Subventionsmittel auf 469,13 € erhöht.

Am 16. August 2013 erhielt der Kläger im laufenden Alg II-Bezug eine Betriebs- und Heizkostenabrechnung für das Jahr 2012. Danach war eine Nachzahlung von 187,29 € spätestens bis zum 1.10.2013 zu leisten, die sich aus einer Nachforderung für die Betriebskosten in Höhe von 103,73 €, für Heizung und Warmwasser in Höhe von 49,97 € und für den Kabelanschluss (33,59 €) zusammensetzt.

Den am 11.9.2013 gestellten Antrag auf Übernahme der Nachforderung lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, infolge der Kostensenkung auf Richtwerte plus Härtefallzuschlag könne dem Antrag nicht entsprochen werden (Bescheid vom 11.9.2013, bestätigt mit Widerspruchsbescheid vom 30.9.2013).

Hiergegen richtet sich die am 1. November 2013 beim Sozialgericht Berlin erhobene Klage auf Übernahme der Nachforderung in angemessener Höhe.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11.9.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2013 zu verurteilen, die Betriebs- und Heizkostennachforderung 2012 in angemessener Höhe zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend wird zum übrigen Sach- und Streitstand auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die beigezogenen Leistungsakten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.

Die zulässige Klage ist auch begründet.

Dem Beklagten ist im Ausgangspunkt darin zu folgen, dass eine Betriebs- und Heizkostennachforderung Bestandteil der Unterkunftskosten im Monat der Fälligkeit der Forderung ist, hier im September 2013. Für einen Anspruch auf Kostenübernahme kommt es also zunächst darauf an, ob zum Zeitpunkt der Fälligkeit noch ein Grundanspruch auf SGB II-Leistungen besteht. Das ist hier der Fall.

Sodann ist zu prüfen, ob die Nachforderung auf Nachberechnungen des Verbrauchs oberhalb der im laufenden Abrechnungsjahr gezahlten Abschläge beruht (nachgelagerter KdU-Bedarf).

Aus der Abrechnung geht hervor, dass der Kläger die laufenden Abschläge vollständig entrichtet hatte. Es handelt sich demnach nicht um Mietschulden.

Zu Unrecht verneint der Beklagte die Übernahme der Nachforderung allein unter Verweis auf die Kostensenkung nach der AV-Wohnen und der WAV. Denn obwohl die laufenden Bewilligungen mit den abgesenkten Werten bestandskräftig wurden, kann der Kläger für den Monat, in dem der Nachforderungsbetrag fällig wird, einen erhöhten KdU-Bedarf nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X geltend machen und im Streitfall ist zu prüfen, welcher Bedarf ungeachtet der früheren, laufenden Zahlungen in diesem Monat angemessen ist.

Hierbei ist zwischen den kalten Betriebskosten und den Heizkosten zu unterscheiden, weil das Bruttokonzept der WAV vom BSG als unschlüssig verworfen wurde und nach der Produkttheorie Unterkunfts- und Heizkosten getrennt auf Angemessenheit zu prüfen sind.

Während für die Betriebskosten ein abstrakt gültiger Angemessenheitswert denkbar ist, gibt es derzeit keine Methode, um einen abstrakten Wert für Heizkosten zu ermitteln....

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