Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Abweichung vom Kopfteilprinzip. Sanktionierung eines anderen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft bzw Haushaltsgemeinschaft. Minderung des Sozialgeldes um 100 %. kein sonstiges eigenes Einkommen des Sanktionierten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Totalsanktion einer/eines unter 25jährigen, die/der mit den Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, begründet eine Abweichung vom Kopfteilprinzip, soweit die/der Sanktionierte über kein eigenes Einkommen verfügt.

2. Das der/dem Sanktionierten nach § 9 Abs 2 S 3 SGB 2 zugeordnete Einkommen eines Elternteils ist kein eigenes Einkommen im genannten Sinn.

3. Das gilt zumindest dann, wenn dieses Einkommen einem Sachleistungsanspruch nach § 31a Abs 3 SGB 2 entgegengehalten wird oder der Einkommensbezieher nicht darauf hingewiesen wird, dass er das der/dem Sanktionierten zugeordnete Einkommen für die Dauer der Sanktion für deren/dessen rechnerischen Mietanteil einsetzen soll.

4. Die bedarfsbezogene Abweichung vom Kopfteilprinzip gilt auch, wenn die/der unter 25jährigen in Haushaltsgemeinschaft mit den Eltern lebt.

 

Tenor

Der Beklagte wird verpflichtet, den Bedarf des Klägers im Zeitraum Februar bis April 2015 im Rahmen der endgültigen Bewilligung über den Bewilligungsabschnitt Dezember 2014 bis Mai 2015 um monatlich 216,82 € zu erhöhen.

Der Bescheid vom 22.4.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.6.2015 wird aufgehoben.

Der Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig sind die Auswirkungen einer Totalsanktion eines unter 25jährigen Mitglieds einer Bedarfs- und später Haushaltsgemeinschaft auf den Bedarf der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (BG).

Der Kläger bezieht aufstockend zu Erwerbseinkommen Alg II. Er lebt mit seiner Ehefrau, die eine Altersrente bezieht und der gemeinsamen, 1991 geb. Tochter (S.) in einer Wohnung, für die seit 1.10.2014 Miete plus Heizkosten in Höhe von 648,87 € zu zahlen waren.

S. verfügte im Bewilligungszeitraum Dezember 2014 bis Mai 2015 über kein eigenes Einkommen. Auf ihren Bedarf wurde nur das horizontal gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II in der BG zu verteilende Einkommen ihres Vaters angerechnet, das im vorläufigen Ausgangsbescheid vom 6.11.2014 nach einem fiktiven Erwerbseinkommen von 585,50 € auf 281,88 € festgesetzt worden war.

Die nach § 7 Abs. 4 SGB II von SGB II-Leistungen ausgeschlossene Ehefrau des Klägers bezog im Bewilligungszeitraum Dezember 2014 bis Mai 2015 eine Altersrente von 585,03 €.

Wegen einer ersten, auf den vollen Regelbedarf der S. bezogenen Sanktion im Zeitraum November 2014 bis Januar 2015 und überlappenden, diversen Melde-Sanktionen hatte der Beklagte die Leistung für S. im Ausgangsbescheid so bemessen, dass die Minderungsbeträge wegen der Melde-Sanktionen vom KdU-Bedarf der S.(= 216,28 €) abgesetzt wurden; das der S. zugerechnete Erwerbseinkommen des Klägers blieb ihr insofern erhalten, als keine Anrechnung auf den KdU-Bedarf erfolgte.

Erneute Sanktionen, darunter eine zweite Totalsanktion von Februar bis April 2015, führten zu einer vollständigen Minderung des Leistungsanspruchs der S. Für die Monate März und April 2015 hatte S. Lebensmittelgutscheine im Wert von jeweils 200 € eingelöst.

Das ihr rechnerisch zugeordnete Einkommen des Vaters (= 282,22 € nach einer Anpassung der KdU-Bedarfe auf die tatsächliche Miethöhe und der Regelbedarfsanpassung auf die ab 1.1.2015 geltenden Sätze) hatte der Beklagte dem Anspruch auf kompensierende Sachleistungen nach § 31a Abs. 3 SGB III nicht entgegengehalten.

Der die erneuten Sanktionen umsetzende, vorläufige Änderungsbescheid vom 12.3.2015 beließ den KdU-Bedarf des Klägers unverändert auf 1/3 der Bruttowarmmiete. Auch das nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II verteilte Einkommen blieb unverändert und wurde auf den Regelbedarf des Klägers von 353 € (2014) bzw. 360 € (2015) angerechnet. Der Kläger daher erhielt von Februar bis April 2015 monatlich 56,72 € Regelbedarf plus die ihm kopfteilig zugerechnete Miete von 216,28 € (= 273 €).

S. erhielt außer den im März und April eingelösten Lebensmittelgutscheinen für die Dauer der Totalsanktion keine Leistungen.

Gegen den Bescheid vom 12.3.2015 machte der Kläger unter Bezugnahme auf BSG-Rechtsprechung geltend, wegen der Totalsanktion der S. müsse ihm als Mietvertragspartei für die Dauer der 100%- Minderung ein höherer KdU-Anteil zuerkannt werden.

Der Beklagte wies den Widerspruch als unzulässig zurück; die Sanktionen als solche seien von S. nicht angefochten worden. Der die Minderung umsetzende Bescheid vom 12.3.2015 enthalte daher keine den Kläger belastende Regelung (Widerspruchsbescheid vom 15.6.2015).

Mit Klage vom 15.7.2015 macht der Kläger einen Anspruch auf 2/3 der Unterkunfts- und Heizkosten für die Dauer der Totalsanktion der S. geltend.

Außerdem wendet er sich gegen die Aufhebung der Leistungsbewilligung zum 30.4.2015, die der Beklagte darauf stützt, dass S. am 6.3.2015 geheiratet hatte, so dass seitdem eine 2-Per...

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