Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Arbeitslosengeld II. Berücksichtigung von Vermögen. Verkauf von Immobilien. Wochenendgrundstück. Unwirtschaftlichkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1) Der Begriff der "offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit " beim Verkauf von Immobilien ist im Zusammenhang mit § 2 Abs 2 Satz 1 SGB 2 auszulegen, wonach erwerbsfähige Hilfebedürftige alle Möglichkeiten zu nutzen haben, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Das hat zur Folge, dass der Hilfesuchende bei der Vermögensverwertung auch deutlich höhere Verluste als zehn Prozent hinnehmen muss.

2) Die Tatsache, dass es sich bei dem zu verwertenden Grundstück um ein Erbgrundstück handelt, das sich seit dem Jahre 1914 in Familienbesitz befindet und der Familie zur Erholung dient, stellt keine besondere Härte dar; denn der Besitz eines Wochenend- und Sommergrundstücks geht über die gewöhnlichen Lebensverhältnisse eines Hilfesuchenden hinaus.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Tatbestand

Der Kläger, der mit seiner Ehefrau in einer Mietwohnung zusammenlebt, begehrt Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Sein Antragsformular ging am 3. November 2004 beim Beklagten ein. Zu dieser Zeit war die Ehefrau des Klägers erwerbstätig. Mit Bescheid vom 16. März 2005 bewilligte der Beklagte die begehrten Leistungen als Darlehen für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2005. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 31. März Widerspruch ein. Der Fortzahlungsantrag des Klägers ging am 1. April 2005 beim Beklagten ein. Seit diesem Zeitpunkt war seine Ehefrau arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 17. Juni 2005 versagte der Beklagte die Fortzahlung der Leistungen, weil der Kläger seinen Lebensunterhalt aus dem bestehenden Vermögen bestreiten könne. Zum Zeitpunkt der zweiten Antragstellung verfügten der Kläger und seine Ehefrau zumindest über die folgenden Vermögenswerte:

Grundstück (W.straße 5, B-B) Verkehrswert

 47.196,00 EUR

Lebensversicherung Nr. 1 (Einzahlungsbetrag 9.345,20 EUR) Rückkaufwert

 9.551,70 EUR

Lebensversicherung Nr. 2 (Einzahlungsbetrag 4.319,74 EUR) Rückkaufwert

 3.550,96 EUR

Lebensversicherung Nr. 3 (Einzahlungsbetrag 5.287,71 EUR) Rückkaufwert

 3.818,03 EUR

Tagesgeldkonto

5.510,36 EUR

Festgeldkonto Nr. 1

7.173,30 EUR

Festgeldkonto Nr. 2

18.084,49 EUR

Bausparvertrag

11.777,75 EUR

Gesamtbetrag

106.662,59 EUR

Das mit einem Sommerhaus bebaute und 1.311 Quadratmeter große Grundstück, das im Einfluggebiet des Flughafens Schönefeld liegt, dient dem Kläger und seiner Familie zum Aufenthalt an Wochenenden und in den Sommermonaten. Für die Lebensversicherung Nr. 1 ist ein vertraglicher Verwertungsausschluss bis zum Eintritt in den Ruhestand nachgewiesen. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2005 wies der Beklagte die beiden Widersprüche mit der Begründung zurück, dass wegen des Vermögens keine Hilfebedürftigkeit bestehe.

Mit seiner am 10. August 2005 beim Sozialgericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und trägt sinngemäß zur Begründung vor, das Grundstück sei wegen der Fluglärmbelastung völlig wertlos und folglich nicht verwertbar. Eine Verwertung sei zudem offensichtlich unwirtschaftlich und stelle eine besondere Härte dar, weil es sich um ein Erbgrundstück handle, das sich seit dem Jahre 1914 im Familienbesitz befinde und der Familie zur Erholung diene. Die Verwertung der Lebensversicherungen sei vertraglich ausgeschlossen. Die Festgeldkonten dürften nicht berücksichtigt werden, weil sie für die Altersvorsorge bestimmt seien.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 16. März 2005 und vom 17. Juli 2005 jeweils in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2005 zu verurteilen, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der gesetzlichen Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakten und die Leistungsakten des Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand des Verfahrens gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage richtet sich zutreffend gegen den Beklagten, der als Arbeitsgemeinschaft der Bundesagentur für Arbeit und des Landes Berlin eine nichtrechtsfähige Personenvereinigung darstellt und gemäß § 70 Nr. 2 SGG beteiligtenfähig ist.

Die Klage ist jedoch unbegründet, da der Kläger auf der Grundlage der §§ 7 Abs. 1, 19 Satz 1 SGB II keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat. Nach § 19 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 20 SGB II) einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) sowie unter den Voraussetzungen des § 24 SGB II einen befristeten Zuschlag.

Der Kläger ist nicht im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II als hilfebedürftig anzusehen. Danach ist hilfebedür...

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