Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Grundsicherungsleistungen ab 01.01.2011

 

Orientierungssatz

1. Die Kammer ist der Auffassung, dass die aufgrund des Urteils des BVerfG vom 09.02.2010, Az.: 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, BVerfGE 125, 175, durch den Gesetzgeber mit Wirkung ab dem 01.01.2011 vorgenommene Neuregelung der existenzsichernden Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII - hier: der Grundsicherung bei Erwerbsminderung - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

2. Die Höhe des Regelsatzes nach der Regelbedarfsstufe 3 beträgt 80 % des Regelbedarfes der Regelbedarfsstufe 1. Zwar liegt dem Anteil von 80 % keine spezielle Sonderauswertung der EVS 2008 zugrunde. Dies hat der Gesetzgeber auch ausdrücklich in der Begründung zu den Regelbedarfsstufen angemerkt. Er hat jedoch seine Erwägungen zur Regelbedarfsstufe 3 in der weiteren BT-Drucksache 17/4095 (S. 40, 41) ausführlich dargelegt. Diese Erwägungen bewegen sich noch im Rahmen des verfassungsrechtlich Vertretbaren.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Sozialhilfe, speziell des Regelbedarfs des Klägers für die Zeit vom 01.07.2011 bis 31.12.2012; der Kläger begehrt eine Nachzahlung in Höhe der Differenz zwischen der Regelleistung nach der Regelbedarfsstufe 1 und der bewilligten Leistung der Regelbedarfsstufe 3, für die streitigen 18 Monate insgesamt 1.438,00 EUR.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist schwer geistig behindert. Er ist als Schwerbehinderter anerkannt nach einem Grad der Behinderung von 100 und den Merkzeichen B, G und H. Er ist schwerpflegebedürftig und erhält Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe II. Er ist dauerhaft voll erwerbsgemindert. Nach den Angaben seiner Pflegemutter, die auch seine gerichtlich bestellte Betreuerin ist, lebt der Kläger seit seiner Geburt in deren Haushalt. Er arbeitet in einer Werkstatt für behinderte Menschen der "Lebenshilfe Aachen Werkstätten & Service GmbH". Seit August 2010 bezieht er von der Beklagten laufend Leistungen der Grundsicherung (GSi) nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Durch Bescheid vom 23.09.2010 bewilligte die Beklagte GSi-Leistungen für den Zeitraum vom 01.08.2010 bis 30.06.2011 unter Zugrundelegung eines Regelbedarfs von 80 % des sog. Eckregelsatzes. Nachdem dieser Bescheid bestandskräftig geworden war, beantragte der Kläger dessen Überprüfung unter Hinweis auf Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19.05.2009 (B 8 SO 8/08 R) und vom 23.03.2010 (B 8 SO 17/09 R). Die Beklagte lehnte den Antrag zunächst durch Bescheid und Widerspruchsbescheid ab. Im anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren S 20 SO 140/11 erkannte sie den Klageanspruch an. In der Folgezeit zahlte sie dem Kläger deshalb die Differenz zwischen der bewilligten und der eingeklagten Regelleistung für die Zeit vom 01.08.2010 bis 30.06.2011 nach.

Im Hinblick auf den (rückwirkend) ab 01.01.2011 in Kraft getretenen § 28 SGB XII und die Anlage zu dieser Vorschrift bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 11.04.2011 und Änderungsbescheide vom 22.06., 25.08., 26.09., 25.10. und 24.11.2011 die GSi-Leistung des Klägers für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.12.2011, durch Bescheid vom 21.12.2011 für die Zeit vom 01.01. bis 31.12.2012 jeweils unter Zugrundlegung eines monatlichen Regelbedarf in Höhe von 291,00 EUR (für 2011) bzw. 299,00 EUR (für 2012) nach der Regelbedarfsstufe 3.

Durch Bescheid vom 05.03.2012 änderte die Beklagte die Leistung für die Zeit ab 01.09.2011, wobei es bei der Festsetzung des Regelbedarfs nach der Regelbedarfsstufe 3 in Höhe von 291,00 EUR (für 2011) bzw. 299,00 EUR (für 2012) blieb.

Dagegen legte der Kläger am 30.03.2012 Widerspruch ein. Soweit Bescheide in Bezug auf die Bewilligung der GSi-Leistung für den Zeitraum vom 01.07.2011 bis 31.12.2012 bestandskräftig geworden waren, beantragte er deren Überprüfung und Rücknahme gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Durch Bescheid vom 26.04.2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rücknahme bestandskräftig gewordener Bescheide ab mit der Begründung, sie habe den Hilfebedarf des Klägers ab 01.07.2011 auf der Grundlage des neuen Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes (RBEG) zutreffend nach der Regelbedarfsstufe 3 festgestellt und insoweit das geltende Recht richtig angewandt. Dagegen erhob der Kläger am 18.05.2012 Widerspruch.

Durch zwei Widerspruchsbescheide vom 06.06.2012 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 05.03. und 26.04.2012 zurück.

Dagegen hat der Kläger am 09.07.2012 Klage erhoben.

Durch Bescheide vom 01.08. und 23.08.2012 hat die Beklagte die für die Zeit bis 31.12.2012 getroffene GSi-Bewilligungsentscheidung unter Beibehaltung der Feststellung des Regelbedarfs nach der Regelbedarfsstufe 3 abgeändert.

Der Kläger ist der Auffassung, sein Regelbedarf hätte nach dem vollen Regelsatz der Regelbedarfsstufe 1 bemessen werden müssen. Maßgeblich sei allein die Frage, wie sein Wohne...

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