Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.03.2009; Aktenzeichen B 8/9b SO 17/07 R)

 

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 8.013,77 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2005 zu zahlen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Der Streitwert wird auf 8.013,77 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Sozialhilfekosten, die der Kläger für einen Hilfeempfänger (HE) nach dessen Einreise aus dem Ausland in der Zeit vom 12.11.2001 bis 30.04.2003 in Höhe von 8.013,77 EUR aufgewendet hat.

Der HE ist deutsche Staatsangehöriger und am 24.05.1978 in Q geboren. Er lebte bis November 2001 in Q im Haushalt seiner Eltern. Vom 28.08. bis 05.10.2001 arbeitete er als Leih-Arbeitnehmer in Süddeutschland; die Firma stellte ihm dort während dieser Zeit ein Zimmer zur Verfügung. Er behielt seinen Wohnsitz in Q bei, da er zu diesem Zeitpunkt nicht die Absicht hatte, dauerhaft in Deutschland zu bleiben. Als das Arbeitsverhältnis wegen Arbeitsmangel endete, beschloss er, seinen Wohnsitz in Q aufzugeben und dauerhaft nach Deutschland zu ziehen (vgl. die Erklärung des HE vom 10.04.2002 - Bl. 112 der Verwaltungsakte des Beklagten), und zwar nach B, wo seine Schwester mit Familie wohnte. Am 02.11.2001 - der HE wohnte noch in Q - schlossen seine Schwester und sein Schwager im Auftrag des HE einen Mietvertrag über eine Wohnung in B, Astrasse, mit Wirkung ab 01.12.2001. Am 11.11.2001 reiste der HE von Q nach Deutschland. Er wohnte bis 30.11.2001 bei seiner Schwester, seinem Schwager und deren beiden Kindern, ab 01.12. in der eigenen Wohnung. Die Schwester und der Schwager des HE sind in Q, deren beiden Kinder in Deutschland geboren.

Am 12.11.2001 beantragte der HE beim Kläger Sozialhilfe. Bereits im Antrag gab er an, dass er sich bis 30.11.2001 bei der Schwester aufhalte, da er erst am 01.12.2001 eine eigene Wohnung habe. Der HE erhielt vom Kläger vom 12.11.2001 bis 30.04.2003 - zeitweilig ergänzende - Sozialhilfe. Die Aufwendungen des Klägers hierfür betrugen 8.013,77 EUR.

Das Bundesverwaltungsamt bestimmte am 22.02.2002 den Beklagten als für die Erstattung zuständigen überörtlichen Träger der Sozialhilfe nach § 108 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG).

Durch Schreiben vom 11.03.2002 bat der Kläger den Beklagten um Anerkennung der Kostenerstattungspflicht. Dieser lehnte die Kostenerstattung durch Schreiben vom 20.06.2002 ab mit der Begründung, der HE habe bei Eintritt des Bedarfs mit Verwandten zusammengelebt. Nach einem intensiven Schriftwechsel zwischen den Beteiligten, in dem die verschiedenen Rechtsstandpunkte ausgetauscht wurden, ohne dass man zu einem Ergebnis gelangte, und nach Beendigung der Sozialhilfeleistungen an den HE wandte sich der Kläger letztmals mit Schreiben vom 25.11.2005 an den Beklagten und bat um Abgabe eines Kostenanerkenntnisses. Auch hierauf zahlte der Beklagte nicht.

Am 22.12.2005 hat der Kläger Klage erhoben. Er sieht die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 BSHG als erfüllt an: Der HE habe bei der Einreise einen gewöhnlichen Aufenthalt weder in Q noch in Deutschland gehabt; er habe seinen bisherigen gewöhnlichen Aufenthalt in Q aufgegeben und sei nach Deutschland eingereist; hier habe er innerhalb eines Monats danach der Hilfe bedurft. Der Kläger ist der Auffassung, die Kostenerstattung sei durch keinen Tatbestand des § 108 Abs. 1 Satz 3 BSHG ausgeschlossen. Weder der HE noch seine Schwester noch sein Schwager sei in Deutschland geboren; die Geburtsbeziehung nach Deutschland werde lediglich durch die Kinder der Schwester hergestellt. Sein vorübergehender Aufenthalt bei diesen Verwandten bis zum Bezug der schon von der Einreise von seiner Schwester angemieteten eigenen Wohnung erfülle nicht den Tatbestand des "Zusammenleben" im Sinne von § 108 Abs. 1 Satz 3 BSHG. "Zusammenleben" setze eine auf gewisse Dauer gerichtete Absicht des Zusammenlebens als Familiengemeinschaft voraus. Dies könne im Fall des HE nicht bejaht werden, da er sich nur 20 Tage bei den Verwandten aufgehalten habe und die eigene Wohnung schon vorher gemietet gewesen sei. Der Kläger hat die von ihm für den HE in der Zeit vom 12.11.2001 bis 30.04.2003 aufgewendeten Sozialhilfekosten aufgelistet und - vom Beklagten nicht bestritten - mit 8.013,77 EUR beziffert.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, ihm 8.013,77 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2005 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er räumt ein, dass der HE bei der Einreise weder in Q noch in Deutschland einen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Er meint jedoch, der HE habe mit seinen Verwandten in B nach seiner Einreise zunächst zusammengelebt. Weder aus dem Gesetzeswortlaut noch nach der Absicht des Gesetzgebers müsse ein "Zusammenleben" im Sinne von § 108 Abs. 1 Satz 3 BSHG über einen längeren Zeitraum in einer gemeinsamen Wohnung erfolgen. Entscheidend sei, dass ein Zusammenleben bei Eintritt des Bedarfs...

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