Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitssuchende. Bedarfsgemeinschaft. Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft. Vermutungsregelung. außereheliche Beziehung eines muslimischen Mannes zu seiner Zweitfrau. gemeinsames Kind. keine Partnerschaft iS § 7 Abs 3 Nr 3 SGB 2. Einkommensberücksichtigung. Schätzung der Höhe von Zuwendungen. Nichtberücksichtigung von Überbrückungsdarlehen Dritter

 

Orientierungssatz

1. Die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 SGB 2 scheitert, wenn die objektive Voraussetzung einer Partnerschaft iS der Norm nicht vorliegt. Von dem Bestehen einer solchen Partnerschaft kann nur ausgegangen werden, wenn eine gewisse Ausschließlichkeit der Beziehung der Partner gegeben ist, die keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulässt. Zudem muss die grundsätzlich rechtlich zulässige Möglichkeit der Heirat oder Begründung einer Lebenspartnerschaft bestehen.

2. Für das Vorliegen einer solchen Partnerschaft iS des § 7 Abs 3 Nr 3 SGB 2 genügt eine außereheliche Beziehung eines muslimischen Mannes zur “Zweitfrau„ nach islamischen Recht trotz gemeinsamen Kindes nicht, wenn sich der wirtschaftlich leistungsfähige Partner zwar finanziell auch für den anderen Partner verantwortlich fühlt, aber die Beziehung im Verhältnis zu seiner regulären Ehe als zweitrangig ansieht.

3. Zur Schätzung der Höhe der monatlichen Unterstützungsleistungen des muslimischen Mannes durch das Gericht, die als Einkommen gem § 11 SGB 2 zu berücksichtigen sind.

4. Lediglich vorübergehend "darlehensweise" zur Verfügung gestellte Geldbeträge von Dritten zur Überbrückung von Notlagen, sind nicht als Einkommen gem § 11 SGB 2 zu berücksichtigen.

 

Tenor

Der Bescheid vom 11.01.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2013 wird aufgehoben. Der Beklagte wird dem Grunde nach verurteilt, der in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Sohn F. I., geb. am 00.00.00, lebenden Klägerin ab November 2012 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende - unter Anrechnung von Einkommen aus Zuwendungen des Herrn T. I. in Höhe von 300 EUR monatlich für sie persönlich sowie weiterer anzurechnender Einkünfte - nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Anspruchsberechtigung der Klägerin auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) ab November 2012.

Die Klägerin ist seit Juli 2009 arbeitssuchend. Bis dato arbeitete sie als Bürokauffrau. Sie stand bei dem Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgängerin seit Beginn des Jahres 2010 überwiegend in Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II).

Die Klägerin ist seit ca. sieben Jahren mit Herrn T.I. bekannt. Seit ca. fünf Jahren verkehrt sie mit ihm im Rahmen einer Liebesbeziehung auch geschlechtlich. Gleichwohl Herr I. in Geilenkirchen mit seiner Ehefrau und drei gemeinsamen minderjährigen Kindern zusammen lebt, hält er sich mindestens seit Beginn des Jahres 2012 zeitweise auch in der Wohnung der Klägerin in I. auf, in der er für gewöhnlich zwei bis drei Mal in der Woche übernachtet und persönliche Gegenstände vorhält. Mitte 2012 heirateten Herr I. und die Klägerin in der Moschee. In einer muslimischen Glaubenshaltung betrachtet Herr I. die Klägerin als seine "Zweitfrau". Nachdem Versuche scheiterten ein gemeinsames Kind auf natürlichem Wege zu zeugen, ließen die Klägerin und Herr I. letztlich eine künstliche Befruchtung durchführen. Die Kosten dafür trug Herr I., der nach der Geburt des Kindes E. I. (00.00.00) die Vaterschaft anerkannte. Bei laufenden Kreditraten aus - zu Zeiten der Erwerbstätigkeit abgeschlossenen - Konsumentenkrediten von deutlich über 200 EUR monatlich, erhielt die Klägerin zumindest seit dem Jahr 2011 bis zum Spätsommer 2013 unregelmäßig Geldbeträge von Bekannten.

Der Beklagte erlangte im Rahmen eines Hausbesuches am 16.02.2012 Kenntnis von einer Beziehung zwischen der Klägerin und Herrn I ... Aufgrund eines Änderungsbescheides vom selben Tag gewährte er der Klägerin daraufhin ab März 2012 laufende Leistungen zunächst nur noch unter Anrechnung eines "fiktiven" Einkommens von 500 EUR aus Unterstützungsleistungen des Herrn I. (vorläufig). Im weiteren Verlauf monierte die Klägerin diese Anrechnung. Ihr Freund unterstütze sie nicht, sonst würde sie keine Schulden machen. Sie könne Verbindlichkeiten wie Miete, Stromkosten und Kredite infolge der Einkommensanrechnung nicht mehr begleichen und müsse sich erneut Geld von Bekannten leihweise zur Verfügung stellen lassen.

Im Mai 2012 stellte die Klägerin einen Fortzahlungsantrag beim Beklagten in dem sie jedwedes Einkommen verneinte.

Mit Bescheid vom 09.05.2012 wurden ihr weiterhin (vorläufig) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Anrechnung von 500 EUR Einkommen aus Zuwendungen des Freundes für die Zeit von Mai bis Oktober 2012 gewährt.

Im Juni 2012 erhielt der Beklagte Ken...

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