Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Einschränkung gewährter Asylbewerberleistungen

 

Orientierungssatz

Stellt der Leistungsträger mit einer Entscheidung nach § 1a Abs. 7 S. 1 AsylbLG die Zahlungen von Geldleistungen für die Dauer von sechs Monaten ein und gewährt er dem Asylbewerber nur noch Leistungen zur Deckung seines Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege in Form von Sachleistungen, so wird ihm eine Rechtsposition genommen, die er zuvor innehatte. Dies gilt sowohl bei ergangenem Bewilligungsbescheid und erst recht dann, wenn die Leistungen ohne ausdrückliche Bewilligungsentscheidung erbracht worden sind. § 1a Abs. 7 S. 1 AsylbLG sieht eine Beschränkung zuvor gewährter Leistungen mit Wirkung für die Zukunft und nicht lediglich die Ablehnung beantragter Leistungen vor. Deshalb muss eine Aufhebung der zuvor erlangten Rechtsposition erfolgen. Hat der Leistungsträger eine Aufhebung der zuvor erlangten konkludenten Bewilligungsentscheidung bzw. des rein tatsächlichen Zur-Verfügung-Stellens nicht verfügt, so ist die ergangene Leistungskürzung rechtswidrig und aufzuheben.

 

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 05.11.2019 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers dem Grunde nach.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Einschränkung der ihm gewährten Asylbewerberleistungen. Der am 00.00.0000 geborene Antragsteller ist b. Staatsangehöriger schiitischer Religionszugehörigkeit. Er hatte sich zunächst von 2015 bis 2017 im Königreich T. aufgehalten und dort mehrere Asylanträge gestellt. Nachdem er 2017 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist war und am 21.09.2017 bei der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen einen Asylantrag gestellt hatte, wurde das Asylverfahren am 17.11.2017 bestandskräftig abgeschlossen. Am 03.06.2019 reiste der Antragsteller erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 24.06.2019 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: BAMF) erneut die Durchführung eines Asylverfahrens. Er wurde zunächst in der Erstaufnahmeeinrichtung in Bonn untergebracht. Da sich nach Abgleich der Fingerabdrücke mit der Eurodac-Datenbank Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin III-Verordnung) ergaben, wurde nach Anhörung des Antragstellers am 07.08.2019 ein Übernahmeersuchen an das Königreich T. gerichtet. Nachdem die t. Behörden mit Schreiben vom 08.08.2019 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags nach Art. 18 Abs. 1d der Dublin III-Verordnung erklärt hatten, lehnte das BAMF mit Bescheid vom 08.08.2019 den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung des Antragstellers nach T. an. Am 16.08.2019 wurde der Antragsteller in die Zentrale Unterbringungsstelle des Landes NRW in X. verteilt. Die Antragsgegnerin erbrachte neben Leistungen bei Krankheit Asylbewerberleistungen nach § 3 Abs. 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG), wobei der notwendige Bedarf in Form von Sachleistungen gedeckt wurde. Darüber hinaus wurden dem Antragsteller Geldleistungen zur Deckung des notwendigen persönlichen Bedarfs in Form von sog. Taschengeld ausgezahlt. Bewilligungsbescheide hat die Antragsgegnerin nicht erlassen. Die Sachleistungen wurden dem Antragsteller tatsächlich zur Verfügung gestellt und die Geldleistungen wöchentlich ausgezahlt. Mit Bescheid vom 05.11.2019 (dem Antragsteller ausgehändigt am 05.11.2019) stellte die Antragsgegnerin die Zahlung von Geldleistungen ab dem 05.11.2019 zunächst für die Dauer von sechs Monaten ein und gewährte dem Antragsteller nur noch Leistungen zur Deckung seines Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege in Form von Sachleistungen. Zur Begründung berief sie sich auf § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG und führte aus, die dort normierten Voraussetzungen lägen vor. Der Antragsteller legte am 18.11.2019 Widerspruch ein, über den bislang noch nicht entschieden wurde. Am 25.11.2019 hat sich der Antragsteller an das Sozialgericht gewandt und Eilrechtsschutz begehrt. Zur Begründung hat er unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 05.11.2019 (Az. 1 BvL 7/16, abrufbar unter juris) vorgetragen, die Vorschrift des § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG sei verfassungswidrig. Sie sanktioniere die fehlende Mitwirkung im Hinblick auf die Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland. Überdies dürfe eine Leistungseinschränkung nicht unabhängig von der Mitwirkung des Antragstellers erfolgen. Dies sei indessen der Fall, da ein...

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