Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung für Behandlungsfehler des Durchgangsarztes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Durchgangsarzt handelt in Ausübung eines öffentlichen Amtes und haftet bei Fehlern dem Patienten gegenüber nicht persönlich. Ausgelöste Amtshaftungsansprüche sind allein gegen den Unfallversicherungsträger zu richten.

2. Entschließt sich der Durchgangsarzt nach der Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der zu gewährenden Heilbehandlung aber diese selbst in die Hände zu nehmen, haftet er privatrechtlich.

3. Besteht der Behandlungsfehler des Durchgangsarztes in der falschen Diagnose bei der Entscheidung zum "Ob" und "Wie" und setzt sich dieser Fehler in der weiteren Behandlung fort, dann bleibt er dem öffentlich-rechtlichen Bereich zuzuordnen.

4. Übernimmt der Durchgangsarzt nicht die allgemeine Heilbehandlung, zählt auch die Überwachung des Heilerfolgs (sog. Nachschau) zum öffentlich-rechtlichen Bereich.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 823, 831; SGB VII § 34

 

Verfahrensgang

LG Flensburg (Urteil vom 20.01.2006; Aktenzeichen 4 O 230/01)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 20.1.2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Flensburg wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens auch im Verhältnis zu den Beklagten zu 2)-4).

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

 

Gründe

I. Der Kläger, der von Beruf Bau- und Möbeltischler ist, begehrt wegen behaupteter ärztlicher Behandlungsfehler von den Beklagten gesamtschuldnerisch die Zahlung von Schmerzensgeld und die Feststellung der gesamtschuldnerischen Verpflichtung der Beklagten, ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen.

Am 10.2.2000 erlitt er auf dem Weg zur Arbeit einen Verkehrsunfall und verletzte sich an der linken Schulter. Mit dem Rettungswagen wurde er in das Kreiskrankenhaus H. gebracht, dessen Träger der Beklagte zu 1) ist. Dort versorgte ihn die Beklagte zu 3), damals Assistenzärztin in der chirurgischen Ambulanz. Sie veranlasste Röntgenaufnahmen (ohne Gewichtsbelastung der Schulter), die der Beklagte zu 5) als Radiologe auswertete. Der Beklagte zu 2), Oberarzt der Ambulanz und Vertreter des liquidationsberechtigten Chefarztes dieser Abteilung, des Beklagten zu 4), der zugleich Durchgangsarzt ist, unterzeichnete hierzu den Durchgangsarztbericht. Dort lautete die Diagnose "Prellung li. Schulter". Des Weiteren wurde darin die "Allgemeine Heilbehandlung" bejaht und als behandelnder Arzt Dr. B. in M. eingetragen. Der Beklagte zu 2) ordnete außerdem die Nachschau für den Fall an, dass am 17.2.2000 noch Arbeitsunfähigkeit vorliegen sollte.

Die Krankschreibungen am 10. und 14.2.2000 erfolgten sodann durch den Zeugen Dr. B.. Nachuntersuchungen führte der Beklagte zu 2) am 17.2., 24.2. und 2.3.2000 durch; bei den ersten beiden Terminen stellte der Beklagte zu 2) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den Kläger aus. In den Nachschauberichten heißt es u.a., dass der Kläger in allgemeiner Heilbehandlung bei Dr. B. verbleibt.

Nach einem Arbeitsversuch des Klägers am 6.3.2000 stellte sich dieser wegen Schulterbeschwerden bei dem Zeugen Dr. B. vor, der ihn in die Klinik Dr. W. in H. einwies. Die dortige Röntgenuntersuchung unter Gewichtsbelastung ergab eine vollständige Sprengung des Schultereckgelenks im Sinne einer Verletzung nach Tossy III.

Der Kläger hat u.a. behauptet, es habe schon am 10.2.2000 eine Schulterverletzung dieser Schwere vorgelegen, sie sei den Ärzten im Kreiskrankenhaus Husum auch erkennbar gewesen. Im Falle ordnungsgemäßer Befundung und sofortiger operativer Versorgung wäre diese folgenlos ausgeheilt. Die Beklagten zu 2) - 4) seien außerdem passivlegitimiert, weil sie die allgemeine Heilbehandlung übernommen hätten.

Die Klage gegen den Beklagten zu 1) hat der Kläger in erster Instanz zurückgenommen.

Wegen des Weiteren Vortrags der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze und die Erklärungen in den mündlichen Verhandlungen vor dem LG verwiesen.

Das LG hat die Klage nach Anhörung des Klägers und Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens nebst mündlicher Erläuterung des Unfallchirurgen Dr. Z. als unbegründet zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte zu 2) sei nicht passivlegitimiert, weil er als Vertreter des Beklagten zu 4) nur durchgangsärztlich tätig gewesen sei. Auch habe ein grober Behandlungsfehler der Beklagten zu 3) nicht vorgelegen; damit komme dem Kläger eine Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität nicht zugute. Auch der Beklagte zu 5) hafte nicht, weil ihm ein Fehler bei der Auswertung der Röntgenaufnahme vom 10.2.2000 nicht unterlaufen sei.

Wegen des Weiteren Inhalts des landgerichtlichen Urteils wird auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen.

Mit der Berufung trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Die Beklagten seien passivlegitimier...

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