Rz. 17

Die Rehabilitationsträger (Kranken-, Renten- und Unfallversicherungsträger sowie Träger der Kriegsopferversorgung – ab 1.1.2024: Träger der Sozialen Entschädigung) erbringen Rehabilitationssport als ergänzende Leistungen nach § 64 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX. Der Rehabilitationssport zielt darauf ab, den Eintritt einer Behinderung zu vermeiden oder die Verschlimmerung einer Behinderung zu verhindern. Dementsprechend soll der Rehabilitationssport wesentlich dazu beitragen, die körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern, Restfunktionen zu mobilisieren, die Ausdauer und Belastungsfähigkeit zu erhöhen und den Betroffenen bei der psychischen Bewältigung seiner Krankheit und Behinderung sowie den Folgewirkungen zu helfen (vgl. BSG, Urteil v. 22.4.2008, B 1 KR 22/07 R).

Anspruchsberechtigt sind auch die Menschen, die noch keine stationäre oder ambulante Rehabilitationsleistung erhalten haben. Deshalb kann der Rehabilitationssport z.B. in der Krankenversicherung auch dann verordnet werden, wenn bei dem betreffenden Menschen vorher keine medizinische Rehabilitationsleistung i.S.d. § 40 SGB V durchgeführt wurde.

Der Anspruch auf den Rehabilitationssport ergibt sich aus den rehabilitationsträgerspezifischen Vorschriften: § 43 SGB V, § 28 SGB VI, § 39 SGB VII, § 10 Abs. 1 ALG sowie § 11 Abs. 5 bzw. § 12 Abs. 1 BVG.

Bei dem Rehabilitationssport handelt es sich nicht um Freizeitsport, sondern um rehabilitationsspezifische, bewegungstherapeutische Übungen, die

  • in Gruppen,
  • unter Anleitung eines für die jeweilige Indikation ausgebildeten Übungsleiters und
  • unter Berücksichtigung von Art und Intensität der bereits eingetretenen oder drohenden Behinderung und des gesundheitlichen Allgemeinzustandes des Rehabilitanden

durchgeführt werden. Bei Übungen in Herzgruppen – auch "Herzsport" genannt – sind die Übungseinheiten zusätzlich durch einen Arzt oder durch eine Rettungskraft zu begleiten.

 

Rz. 18

Der Rehabilitationssport wird in der Praxis der Krankenkassen oft als Ersatz für sonst erforderliche Therapien – z.B. Heilmitteltherapien i.S.d. § 32 SGB V – verordnet. Der von vielen Ärzten verordnete Rehabilitationssport anstelle von Heilmitteln (hier bestehen Richtgrößen, auch Volumenbudgets genannt) ist allerdings dem Grunde nach nicht systemkonform. Vielmehr soll der Rehabilitationssport die Heilmitteltherapien durch gezielte sportliche Übungen ergänzen; der Übungsleiter ist nämlich i.d.R. kein Therapeut. Trotzdem kann es in bestimmten Fällen durchaus zweckmäßig und wirtschaftlich sein, anstatt eines Heilmittels Rehabilitationssport zu verordnen. Das ist z.B. dann der Fall, wenn durch die Übungen des Rehabilitationssports präventiv – also zwecks Vermeidung einer Behinderung – eine bessere Beweglichkeit der Wirbelsäule herbeigeführt werden soll. Dagegen scheidet der Rehabilitationssport anstelle eines Heilmittels in der Akutphase (z.B. bei einem frisch Hüftgelenksoperierten mit bestehenden Funktions- bzw. Fähigkeitsstörungen und Alltagsbarrieren) aus, weil das Rehabilitationsziel (z.B. Beseitigung oder deutliche Linderung von Schmerzen, Stabilisierung und Stützung des Hüftgelenks, Wiederherstellung der Beweglichkeit und Ausdauer) noch nicht erreicht wurde.

 

Rz. 19

Nicht anspruchsberechtigt sind Versicherte, die im Rahmen der normalen Krankheitsprävention etwas für ihre Gesundheit tun wollen und bei denen aufgrund fehlender Anzeichen wahrscheinlich nicht damit zu rechnen ist, dass die Krankheit irgendwann einmal zu einer chronischen Erkrankung oder sogar zu einer Behinderung führen wird.

Außerdem sind sportliche Übungen, die lediglich der Erzielung oder Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens dienen (freies Schwimmen an sog. Warmbadetagen – auch wenn sie in Gruppen durchgeführt werden), von der Finanzierung durch die Rehabilitationsträger ausgeschlossen.

 

Rz. 20

Art, Umfang, Dauer und Weise des Rehabilitationssports werden vom Gesetzgeber an keiner Stelle definiert. Zur Ausgestaltung der sich aus § 64 Abs. 1 Nr. 3 ergebenden Ansprüche schlossen deshalb die Spitzenverbände der beteiligten Rehabilitationsträger einerseits und u. a. die auf Bundesebene wirkenden Sportverbände andererseits unter Federführung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR, Frankfurt) mit Wirkung zum 1.1.2022 eine neue Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining. Sie löste die in der Zeit vom 1.1.2011 bis 31.12.2021 geltende Rahmenvereinbarung ab. Wesentliche Teile der ab 1.1.2022 geltenden Rahmenvereinbarung sind unter Rz. 80 und wesentliche Teile der in der Zeit vom 1.1.2011 bis 31.12.2021 geltenden Rahmenvereinbarung sind unter Rz. 82 abgedruckt.

Für die vertraglichen Beziehungen zwischen Rehabilitationsträgern und Rehabilitationssportverein ist die Rahmenvereinbarung die Grundlage. Als Folge haben sich die Rehabilitationssportvereine dazu verpflichtet, die Rahmenvereinbarung – in der jeweils gültigen Fassung – zu beachten.

 

Rz. 21

Die Durchführung der Übungseinheiten obliegt i. d. R. den örtlichen Rehabilitationssportgruppe...

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