2.1 Voraussetzungen einer Prüfung (Abs. 1)

2.1.1 Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung des Leistungserbringers (Abs. 1 Satz 1)

 

Rz. 7

Ausgangspunkt der Prüfung müssen tatsächliche Anhaltspunkte sein, die den plausiblen Schluss zulassen, dass ein Leistungserbringer seine vertraglichen oder gesetzlichen Pflichten nicht erfüllt. Relevante Anhaltspunkte müssen auf Tatsachen beruhen und können nicht auf bloße Vermutungen oder Unterstellungen fußen. Typisch dürften Hinweise von Leistungsberechtigten oder Mitarbeitern von Leistungserbringern ("Whistleblower") sein, die dem Träger der Eingliederungshilfe mehr als nur pauschale Behauptungen, sondern auch konkrete Vorgänge möglichst mit Belegen zuspielen. Eine weitere Quelle sind Unstimmigkeiten in den Belegen des Leistungserbringers gegenüber dem Träger der Eingliederungshilfe.

2.1.2 Öffnungsklausel für Länder – anlasslose Prüfung (Abs. 1 Satz 3)

 

Rz. 8

Durch Landesrecht kann allerdings von dem Kriterium "soweit tatsächliche Anhaltspunkte bestehen" abgewichen werden. Diese Öffnungsklausel ruht auf einem Kompromiss aufgrund der kritischen BR-Stellungnahme. Der Bundesrat sprach sich trotz der Bedenken der Bundesregierung für ein anlassloses Prüfrecht aus (vgl. BR-Stellungnahme zum Entwurf eines BTHG der Bundesregierung BR, 18/9954 S. 49). Die Bundesregierung hatte noch in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates Bedenken gegen anlassunabhängige Prüfungen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der vereinbarten Leistungen bei den Leistungserbringern durch Träger der Eingliederungshilfe erhoben. Ein Eingriff in die verfassungsrechtlich gesicherte Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 GG) dürfe nicht schrankenlos erfolgen (vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung zur BR-Stellungnahme zum Entwurf eines BTHG, BR-Drs 18/9954 S. 117).

 

Rz. 9

Der Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung zum Bayerischen Teilhabegesetz I (BayTHG I) v. 1.8.2017 (§ 1, Einfügung des Art. 66b Abs. 3 in das Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG) v. 8.12.2006, GVBl. S. 942, Drs. 17/18388 Bay.Landtag) sieht die Zulassung auch anlassloser Qualitätsprüfungen durch die Träger der Eingliederungshilfe bei den Leistungserbringern vor.

2.2 Prüfung durch Träger der Eingliederungshilfe oder beauftragte Dritte (Abs. 1 Satz 1)

 

Rz. 10

Der Träger der Eingliederungshilfe entscheidet über die Durchführung der Prüfung. Er kann die Prüfung durch eigene Kräfte aber auch durch von ihm beauftragte Dritte vornehmen. Dies kann ein externer Sachverständiger oder eine unabhängige Kommission sein, wobei letztere noch eine höhere Legitimation gegenüber dem Leistungserbringer haben dürfte. Das Einschalten Dritter bietet sich je nach Personalausstattung und ggf. mangelnder Sachkenntnisse bei den Trägern der Eingliederungshilfe an.

2.3 Vermeidung von Doppelprüfungen (Abs. 1 Satz 2)

 

Rz. 11

Abs. 1 Satz 2 verpflichtet die Träger der Sozialhilfe zur Zusammenarbeit mit den Heimaufsichtsbehörden und dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MdK), um Doppelprüfungen zu vermeiden.

Insbesondere wird diese Anforderung durch mögliche gemeinsame Prüfungen und einen Informationsaustausch mit diesen Behörden erfüllt. Die Zulässigkeit eines Datenaustausches bestimmt sich nach den §§ 67 ff. SGB X. Die Datenübermittlungsbefugnis der Heimaufsichtsbehörden richtet sich nach dem jeweiligen Landesdatenschutzgesetz. Mitteilungspflichten des MdK sind in § 97b SGB XI und der Heimaufsichtsbehörden in den jeweiligen Heimgesetzen der Bundesländer (entsprechend § 20 Abs. 2 HeimG Bund, abgelöst durch Landesrecht, abschließend mit dem Thüringischen Gesetz über betreute Wohnformen und Teilhabe, GVBl.Th 2014 S. 161, § 24) geregelt.

2.4 Verfahren der Prüfung (Abs. 2)

 

Rz. 12

Soweit dem Träger der Eingliederungshilfe Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung des Leistungserbringers vorliegen, kann er die Prüfung ohne vorherige Ankündigung des Leistungserbringers durchführen und in den Geschäftsräumen des Trägers der Eingliederungshilfe vornehmen. Dem Verzicht auf eine vorherige Ankündigung geht eine Ermessensentscheidung voraus. Wenn eine Anmeldung der Prüfung der Gewährleistung einer wirksamen Kontrolle entgegensteht (insbesondere Gefahr der Beseitigung von Beweismitteln), ist der Verzicht auf die vorherige Ankündigung eine pflichtgemäße Ermessensausübung (vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 304 f.).

Die Leistungserbringer sind verpflichtet, an den Prüfungen mitzuwirken, insbesondere durch Vorlage von Unterlagen und Zugänglichmachung von Räumen. Beim letzteren ist das Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG in Fällen von privat genutzten Räumen zu beachten. Der Nachweis der Qualität der Leistung erfolgt durch standardisierte Dokumentationen (vgl. Freudenberg, in: Jung, SGB XII, § 76 Rz. 29). Allerdings sieht § 128 keine Befugnis vor, zur Erfüllung dieser Aufgaben Grundstücke und Geschäftsräume des Leistungserbringers zu betreten (so z. B. für Aufsichtsbehörden nach § 40 Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz geregelt: EU – DSAnpUG-EU v. 30.6.2017, BGBl. I S. 2097).

2.5 Kriterien der Prüfung (Abs. 2)

 

Rz. 13

Die Prüfung erstreckt sich auf Inhalt, Umfang, Wirtschaftlichkeit und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der erbrachten Leistungen. Da eine unwirksame Leistung nicht wirtschaftlich sein kann, ist die Wirksamkeit der Leistung vom Prüfrecht erfasst (vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S....

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