Rz. 18

Am 1.1.2016 sind die wesentlichen Inhalte des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FQWG) in Bezug auf die Grundsicherung in Kraft getreten. Damit waren umfassende Änderungen verbunden, mit denen ein wesentlicher Beitrag zur Rechtsvereinfachung des Sozialversicherungsrechts gesetzlich versicherter Bezieher von Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 Satz 1 (bis 31.12.2022: Arbeitslosengeld II) erreicht werden konnte. Damit geht die Erwartung einher, dass die Fehlerquoten bei der Bearbeitung von Anträgen auf Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung in den Jobcentern (weiter) gesenkt werden können. Insbesondere ist der Vorrang der Familienversicherung vor einer Versicherungspflicht bei Bezug von Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 Satz 1 seither entfallen. Ab dem Beginn des Bezuges von Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 Satz 1, z. B. bei heranwachsenden Kindern mit dem Eintritt von Erwerbsfähigkeit mit 15 Jahren, tritt Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ein, sofern die in Rede stehende Person nicht der privaten Kranken- und Pflegeversicherung zuzuordnen ist. Nach Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit reduzieren sich durch diese Neuregelung Prüfaufwände und Fehlbeurteilungen im Zuge der Antragsbearbeitung. Es muss auch nicht mehr bei jedem Hinzutreten und jedem Wegfall von Einkommenstatbeständen der Versicherungsstatus der familienversicherten Person sowie ggf. der weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft überprüft werden.

 

Rz. 19

Ferner wird seit dem 1.1.2016 anstelle der bis dahin gültigen individuellen Abführung von Beiträgen für jede versicherungspflichtige Person ein ungekürzter Pauschalbeitrag gezahlt. Damit entfällt die aufwändige Anrechnung von weiterem sozialversicherungspflichtigem Einkommen auf die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Seither ist der Pauschalbeitrag zu zahlen, wenn für einen Tag im Monat ein versicherungspflichtiger Anspruch auf Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 Satz 1 besteht. Die in 2015 noch durchzuführende Anrechnung weiterer beitragspflichtiger Einnahmen (z. B. aus versicherungspflichtigem Erwerbseinkommen) auf die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 Satz 1 war ein Fehlerschwerpunkt der Bearbeitung in den Jobcentern, weil diese häufig nicht durchgeführt wurde und dadurch Beitragsüberzahlungen geschehen konnten. Ebenso ist durch die Pauschalierung eine taggenaue Berechnung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung entfallen. Wird die Entscheidung über die Bewilligung von Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 Satz 1 rückwirkend in voller Höhe aufgehoben und bestand im Aufhebungszeitraum ein weiteres Krankenversicherungsverhältnis, besteht seit dem 1.1.2016 kein Beitragserstattungsanspruch gegenüber dem Bundesversicherungsamt bzw. den Landwirtschaftlichen Krankenkassen mehr. In bestimmten Fällen sind jedoch (auch weiterhin) Beiträge von den Leistungsberechtigten zurückzuzahlen; die Rückforderungen betreiben die Jobcenter. Die Versicherungspauschale dürfte im Ergebnis aufgrund dieser Änderungen geringer sein als die bisherige Höhe der Beiträge. Andererseits liegt in dem Begriff der Pauschale auch das Risiko einer zu geringen staatlichen Hilfe zur Aufrechterhaltung der bisherigen Versicherung, nicht dem Grunde nach, aber jedenfalls in Bezug auf die Qualität, für die sich der Leistungsberechtigte früher ohne die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II entschieden hatte, etwa bei selbständiger Erwerbstätigkeit.

 

Rz. 20

Aufgrund des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (Inkrafttreten im Wesentlichen am 1.8.2016) haben auch folgende Rechtsänderungen Einfluss auf die Kranken- und Pflegeversicherung:

  • Die Erbenhaftung nach § 35 ist entfallen. Damit kommt es seit dem 1.8.2016 nicht mehr darauf an, ob auch für die Zeit eines Ersatzanspruches nach § 35 Leistungsbezug im sozialversicherungsrechtlichen Sinne vorliegt oder nicht.
  • Vorläufige Bewilligungen nach § 41a stellen einen sozialversicherungsrechtlich relevanten Leistungsbezug dar (wie z. B. auch entsprechende einstweilige Anordnungen der Sozialgerichtsbarkeit).
 

Rz. 21

Eine rückwirkende Aufhebung der Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat sowie die Rückforderung bzw. Rückzahlung von Bürgergeld haben gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a HS 2 SGB V grundsätzlich keine Auswirkungen auf das Versicherungsverhältnis, auch wenn die Leistung nach § 42 Abs. 1 im Voraus gewährt wurde. Vorschusszahlungen i. S. von vorfälligen Leistungszahlungen nach § 42 Abs. 2 gehen nicht mit dem Eintritt einer Versicherungspflicht zur Kranken- bzw. Pflegeversicherung einher.

 

Rz. 22

Die Jobcenter durchlaufen für die Entscheidung, ob die Kranken- und Pflegeversicherung für den Leistungsberechtigten durchzuführen oder eine Zuschussgewährung zur Beitragszahlung zu prüfen, ist, eine Prüflogik. Voraussetzung ist stets, da...

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