Rz. 288b

Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, bestimmt Abs. 1 Satz 9 seit seiner Einfügung mit Wirkung zum 1.1.2023 durch das 12. SGB II-ÄndG, dass die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens 12 Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar ist. Hintergrund der Regelung ist der Umstand, dass für die Gewährung der Leistungen für Unterkunft und Heizung das Kopfteilprinzip angewendet wird (vgl. Rz. 71 ff.). Das bewirkt eine Verfahrenserleichterung für die Jobcenter, weil die Leistungen einfacher auf die bestehenden Bedarfe in der Bedarfs- bzw. Haushaltsgemeinschaft verteilt und nach dem Lebensmittelpunkt der leistungsberechtigten Personen bestimmt werden können.

 

Rz. 288c

Folge dieses Prinzips ist aber auch, dass die Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung infrage gestellt wird, wenn ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft diese verlässt. Dann werden dieselben Aufwendungen durch eine Person weniger verursacht und können gerade dadurch unangemessen werden. Abs. 1 Satz 9 schützt die übrigen Bewohner nunmehr seit dem 1.1.2023 befristet in dem Sonderfall, in dem ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft verstirbt. Dann kann eine Senkung der Aufwendungen für einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten unzumutbar sein.

 

Rz. 288d

Voraussetzung für die Anwendung der Regelung ist die Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (zuletzt) vor dem Todesfall in der Bedarfs- bzw. Haushaltsgemeinschaft. Ist das der Fall, beginnt die Frist der Unzumutbarkeit für die Senkung der Aufwendungen zu Beginn des Kalendermonates nach dem Todesfall. Sodann beträgt die Frist mindestens 12 Monate, also 1 Jahr. Nach Ablauf dieses Jahres wird eine Kostensenkung zumutbar und das Jobcenter kann ein Kostensenkungsverfahren nach Abs. 1 Satz 7 einleiten. Wegen des Wortlautes der Regelung, dass die "Schonfrist" mindestens 12 Monate beträgt, ergibt sich, dass die Zeit für das Kostensenkungsverfahren nach Abs. 1 Satz 7 nicht in diese Frist einzurechnen ist.

 

Rz. 288e

Die Gesetzesbegründung weist darauf hin, dass es einer § 6 Abs. 2 Satz 2 WoGG entsprechenden Regelung für das vorzeitige Ende der Sonderfrist von 12 Monaten nicht bedarf, weil die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach Abs. 1 Satz 1 neu bestimmt und bewertet werden, wenn die Wohnung nach dem Todesfall gleichwohl vor Ende der Sonderfrist aufgegeben wird. Dafür bedarf es keiner gesonderten Bestimmung.

 

Rz. 288f

Im Gesetzgebungsverfahren zum 12. SGB II-ÄndG ist vorgeschlagen worden, die Karenzzeit bei Neuanträgen und die Karenzzeit bei Todesfällen einheitlich auf 6 Monate festzulegen, sodass in beiden Fallkonstellationen mit Ablauf eines Jahres das Kostensenkungsverfahren abgeschlossen werden könnte. Damit hätten die Bedarfsgemeinschaften nach einem halben Jahr weitere 6 Monate Zeit, die Kosten der Unterkunft auf die Angemessenheitsgrenze abzusenken, sodass die Übernahme der tatsächlichen (unangemessenen) Unterkunftskosten i. d. R. insgesamt 12 Monate andauern würde. Dieser Vorschlag ist jedoch der Ablehnung der Karenzzeit insgesamt entsprungen, durch die die kommunalen Träger zusätzlich belastet werden, anteilig aber auch der Bund (vgl. § 46 Abs. 5). Die vorgeschlagene Kürzung der Unzumutbarkeitszeit auf 6 Monate erscheint ebenso wie die vom Gesetzgeber gewählte Frist von 12 Monaten mehr nur gegriffen als empirisch begründet.

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