Rz. 21

Abs. 3 gliedert das Leistungsspektrum nach dem SGB II auf. Abs. 3 Nr. 1 umschreibt Leistungen zur Beratung seit dem 1.8.2016 als eigenständigen Leistungsbereich, Abs. 3 Nr. 2 im Wesentlichen die Eingliederungsleistungen, aber auch andere Leistungen, mit denen eine Beseitigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit erreicht werden kann und Abs. 3 Nr. 3 nennt die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes aufgrund von Hilfebedürftigkeit. Nach der Rechtsprechung des BSG müssen (auch) die zugelassenen kommunalen Träger nach § 6a Leistungen der Grundsicherung aus einer Hand erbringen und dürfen sie nicht auf mehrere Stellen verteilen (BSG, Urteil v. 3.9.2020, B 4 AS 24/17 R). Schon eine Aufteilung der beiden zentralen Aufgaben des SGB II – der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts – auf 2 verschiedene Stellen verstößt gegen den Grundsatz der "Leistungen aus einer Hand". Aus dem Recht der Träger der Grundsicherung, zu ihrer Unterstützung Dritte mit der Wahrnehmung von Aufgaben zu beauftragen, ist keine Befugnis zur Übertragung der Zuständigkeit (im entschiedenen Verfahren: für Meldeaufforderungen) im Rahmen der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit herzuleiten. Wie schon dem Wortlaut der Vorschrift entnommen werden könne, ziele sie nur auf eine "Unterstützung" der Träger ab, nicht jedoch auf eine umfassende Übertragung oder "Auslagerung" wesentlicher Teile ihrer Aufgaben.

Für eine Differenzierung hinsichtlich des Grundsatzes der "Leistungen aus einer Hand" zwischen zugelassenen kommunalen Trägern und gemeinsamen Einrichtungen ist kein durchgreifender rechtlicher Ansatz zu erkennen. Das BSG hält es für sinnwidrig, bei getrennter Trägerschaft einen solchen Grundsatz anzunehmen, aber bei einheitlicher Trägerschaft den Grundsatz als disponibel anzusehen. Auch aus der Befugnis nach § 44b Abs. 4 kann demnach keine Rechtfertigung zur Aufteilung der Aufgaben auf 2 Stellen abgeleitet werden.

Es widerspricht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Übermaßverbot) und dem Grundsatz des Forderns und Förderns (§§ 2, 14), § 1 Abs. 2 Satz 4 Nr. 5 und § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB I, wenn eine typische Jugendsünde (hier: Ausbildungsabbruch eines damals 20-jährigen Heranwachsenden in einer von ihm als psychisch belastend empfundenen Ausbildungssituation) zu Ersatzansprüchen in Höhe von mehr als 30.000,00 bzw. 51.000,00 EUR gegenüber einem (zuletzt) erst 28-jährigen ungelernten Langzeitarbeitslosen führt (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 26.1.2023, L 11 AS 346/22).

 

Rz. 21a

Durch das 9. SGB II-ÄndG wurde die Beratung der leistungsberechtigten Personen nach der Gesetzesbegründung als Ergebnis der Fachdiskussion in der Arbeitsgruppe Eingliederung SGB II des Bund-Länder-Ausschusses (§ 18b) seit dem 1.8.2016 deutlich gestärkt. Dazu sollte auch die stärkere Nutzung der Potenzialanalyse und des Instrumentes der Eingliederungsvereinbarung als kooperatives Gestaltungsmittel im Eingliederungsprozess gehören. Ebenso rechnete der Gesetzgeber eine nachgehende Betreuung von erwerbstätigen Leistungsberechtigten auch nach Entfallen der Hilfebedürftigkeit nach § 16g und die Aufnahme eines neuen Fördertatbestandes für schwer zu erreichende junge Menschen in das SGB II (§ 16h) dazu, für eine nicht unbedeutende Gruppe junger Menschen, die von den Angeboten der Sozialleistungssysteme derzeit nicht erreicht werden, passgenaue Leistungen zu entwickeln und anzubieten. § 14 Abs. 2 greift die Beratungsaufgabe gesondert heraus und verdeutlicht, dass zur Erfüllung der zentralen Aufgabe der Jobcenter der Beratung und Vermittlung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten auch grundlegend die Information und Erläuterung des Leistungssystems und des Grundsatzes von Fördern und Fordern gehört. Der persönliche Ansprechpartner soll demnach nicht nur zu den Inhalten und Zielen der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und deren Auswahl im Rahmen des Eingliederungsprozesses beraten, sondern auch über leistungsrechtliche Zusammenhänge informieren und beraten, die Selbsthilfeobliegenheiten und Mitwirkungspflichten der Leistungsberechtigten darstellen und auf die möglichen negativen Rechtsfolgen hinweisen. Damit sieht der Gesetzgeber der Gesetzesbegründung zufolge durch die Beratung die aktiven Leistungen mit den passiven Leistungen verzahnt. Durch das Bürgergeld-Gesetz ist die Eingliederungsvereinbarung durch den Kooperationsplan ersetzt worden, der aber nicht von einer Vertrauenszeit begleitet wird, innerhalb der sich die konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit von Jobcenter und Leistungsberechtigtem beweisen sollte. Auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses wurde auf die Vertrauenszeit verzichtet. Nunmehr muss auf dieser gegenüber dem Regierungsentwurf zum Bürgergeld-Gesetz veränderten Basis der gesamte Eingliederungsprozess auf Augenhöhe und mit Androhung leistungsrechtlicher Konsequenzen realisiert werden, auch in Bezug auf Einladungen ins Jobcenter.

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