Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung. Einkommen. Sozialhilfe. Kindergeld. Unterhaltspflicht. Grundsicherungsleistungen. Berufung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Berücksichtigung des für den Grundsicherungsberechtigten gezahlten Kindergeldes als dessen Einkommen.

 

Normenkette

GSiG § 2 Abs. 1 S. 1, § 3 Abs. 1-2; BSHG §§ 76-77; BGB § 1612b; EStG § 74 Abs. 1-2; SGB XII § 82 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

VG Chemnitz (Urteil vom 27.05.2004; Aktenzeichen 5 K 744/03)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 27. Mai 2004 – 5 K 744/03 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anrechnung des an die Eltern der Klägerin gezahlten Kindergeldes auf die der Klägerin gewährten Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz.

Die 1981 geborene Klägerin ist dauerhaft erwerbsunfähig und lebt in einer eigenen Wohnung im Hause der Eltern. Ihre Mutter ist zu ihrer Betreuerin bestellt worden. Die Klägerin arbeitet in einer Werkstatt für behinderte Menschen.

Der Beklagte gewährte der Klägerin Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz und zwar mit Bescheid vom 18.12.2002 für den Zeitraum vom „1.1. bis zum 30.12.2003” in Höhe von 238,06 EUR monatlich und unter teilweiser Aufhebung dieses Bescheids mit Bescheid vom 25.3.2003 für die Zeit vom 1.4.2003 bis zum 30.12.2003 in Höhe von 132,26 EUR monatlich. In beiden Bescheiden berücksichtigte der Beklagte Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR als Einkommen der Klägerin.

Gegen den Bescheid vom 18.12.2002 legte die Klägerin Widerspruch ein und erklärte, das Kindergeld sei zu Unrecht als ihr Einkommen berücksichtigt worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.5.2003 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin sei auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Kindergeldes als „vorrangiges Einkommen” i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 GSiG zu verweisen.

Die Klägerin, vertreten durch ihre Betreuerin, hat am 3.6.2003 Klage erhoben und beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 18.12.2002 und den Widerspruchsbescheid vom 19.5.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr für den Zeitraum vom 1.1. bis zum 31.12.2003 weitere Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 154,– EUR zu bewilligen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, Kindergeld sei grundsätzlich Einkommen der Kindergeldberechtigten.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und zur Begründung ausgeführt, die Kindergeldanrechnung in den angegriffenen Bescheiden sei rechtmäßig. Sie entspreche der bisherigen Praxis im Rahmen der Gewährung von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz. Diese sei auf die Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz zu übertragen.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 27.5.2004 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass das gezahlte Kindergeld Einkommen der Eltern und nicht des Kindes sei, für das es gezahlt werde. Kindergeld könne nur dann zu anrechenbarem Einkommen des Kindes werden, wenn es von den Eltern durch einen gesonderten, zweckorientierten Zuwendungsakt weitergegeben werde. Eine solche Zuwendung von Kindergeld liege nicht schon dann vor, wenn es dem Kind im Rahmen des ihm im Haushalt gewährten Familienunterhaltes als Naturalleistung, wie z. B. durch Unterkunft, Kost oder Bekleidung, zugute komme. Es genüge nicht, dass das Kindergeld in einen gemeinsamen Topf fließe, aus dem der Aufwand für den Lebensunterhalt des Kindes gerade mittels eines zweckorientierten und mit Rücksicht auf das Kind gewährten Kindergeldes bestritten werde. Diese – für Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz entwickelte – Beurteilung sei auch auf das Grundsicherungsgesetz zu übertragen, zumal § 3 Abs. 2 GSiG für den Einsatz von Einkommen und Vermögen auf die Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes verweise. Im Übrigen spreche die Absicht des Gesetzgebers, eine „Abschiebung” behinderter volljähriger Kinder in eine Einrichtung zu verhindern, gegen eine Anrechnung des Kindergeldes. Der Gesetzgeber habe darüber hinaus den Übergang von Unterhaltsansprüchen in § 2 Abs. 1 bis 3 GSiG von einer Einkommensgrenze von 100.000,– EUR bei den Eltern abhängig gemacht, was weiter dafür spreche, das ihnen gezahlte Kindergeld nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung beantragt der Beklagte, die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts abzuweisen. Zur Begründung führt der Beklagte aus, entgegen der „mit rein steuerrechtlich untermauerten Aspekten begründeten Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts” (sei) … im konkreten Fall der Herausgabeanspruch des Kindes auf das Kindergeld gegen die Mutter als Kindergeldberechtigte eine vorrangige Leistung vor der Gewährung einer bedarfsorientierten Grundsicherung … und die Herausgabe des Kindergeldes (sei) nicht gleichzusetzen mit der Erfüllung von Unterhaltspflichten i.S.d. § 2 GSiG”. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts führe ...

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