Verfahrensgang

SG Dresden (Urteil vom 12.06.1996; Aktenzeichen S 16 Vs 75/94)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.03.1998; Aktenzeichen B 9 SB 1/97 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12. Juni 1996 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Voraussetzungen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (Merkzeichen „aG”) bereits dann gegeben sind, wenn die weitere Lockerung einer implantierten Hüftgelenks-Endoprothese droht und der Erfolg einer erneuten Operation ungewiß ist.

Die im … geborene Klägerin leidet von Geburt an an einer doppelseitigen Hüftgelenksverrenkung. Noch im Jahre 1968 waren beide Hüftgelenke ganz erheblich unterentwickelt, die Pfannen sehr flach, die Oberschenkelköpfe stark deformiert, und es waren fast keine Schenkelhälse vorhanden. Trotz des jugendlichen Alters hatte sich eine röntgenologisch nachweisbare Präarthrose ausgebildet. Eine Bewegungsfähigkeit im Hüftgelenk bestand nur zwischen 165 und 90°, alle übrigen Bewegungen waren aufgehoben (Bescheinigung von Prof. Büschelberger vom 19.11.1968, SchwbG-Akten – SA – Bl. 5). Im Jahre 1983 wurde im linken Hüftgelenk eine Totalendoprothese eingesetzt, die im Jahre 1989 wegen einer septischen Lockerung ausgewechselt werden mußte, bei der es zu einer intraoperativen Fraktur kam. Im Jahre 1990 mußte auch das rechte Hüftgelenk totalendoprothetisch versorgt werden (SA Bl. 10, SG-Akte Bl. 90).

Am 25. März 1991 beantragte die Klägerin die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises. Im Befundbericht des Orthopäden … vom 04.10.1991 wurde der Gang als stark schaukelnd beschrieben, es fand sich eine Quadrizepshypotonie links gegenüber rechts, die Gehstrecke wurde mit ca. 500 bis 1000 m mit Gehhilfe eingeschätzt (SA Bl. 10).

Der Klägerin, die in ihrem erlernten Beruf als Diplom-Meteorologin nie gearbeitet hatte, aber zuletzt als EDV-Projektantin teilzeitbeschäftigt war, bezieht seit Dezember 1988 eine Invalidenrente. Seit April 1989 arbeitete sie nicht mehr, die Kündigung wurde zum 30.06.1991 ausgesprochen (SA Bl. 12).

Nach einem Entlassungsbericht der Klinik Bavaria vom 24.05.1991 (SA Bl. 12 ff.) konnten während des stationären Aufenthalts in der Zeit vom 19.03. bis zum 14.05.1991 trotz intensiver täglicher Krankengymnastik und Sporttherapie die ausgeprägten Bewegungseinschränkungen in beiden Hüftgelenken sowie die Gangstörung nur unwesentlich beeinflußt werden. Die Klägerin war aber bei der Entlassung in der Lage, größere Wegstrecken zurückzulegen und über längere Zeit schmerzfrei zu sitzen.

Nachdem versorgungsärztlicherseits das Hüftgelenksleiden beidseits mit einem Einzel-Grad der Behinderung (GdB) mit 50 und die bestehenden Wirbelsäulenveränderungen mit 20°, der Gesamt-GdB mit 60 eingeschätzt worden war, stellte das Versorgungsamt Dresden mit Bescheid vom 02.04.1992 als Behinderungen Hüftendoprothesen beidseits sowie Wirbelsäulenveränderungen fest mit einem Gesamtausmaß der Behinderungen von 60°. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen „G” seien erfüllt, diejenigen für die übrigen – darunter für das Merkzeichen „aG” – nicht (SA Bl. 27).

Der Ablehnung des Merkzeichens „aG” widersprach die Klägerin am 24.04.1992 und machte geltend, die erste Prothese habe schon 1989 unter medizinischen Komplikationen ausgetauscht werden müssen, so daß ein erneuter Gelenkswechsel kaum mehr möglich sei. Auch die zweite Prothese habe wegen schlechter Knochensubstanz nicht zementlos implantiert werden können. Die Parkerleichterung sei für sie unverzichtbar, um alles für eine lange Lebensdauer beider Prothesen tun zu können. Die volle Befreiung von der Kfz-Steuer benötige sie als eine angemessene finanzielle Unterstützung wegen der sehr eingeschränkten Möglichkeit und Höhe eines Hinzuverdienstes zur Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Wegen des Todes ihres Mannes müsse sie allein für ihr 15jähriges Kind aufkommen.

Auf Antrage teilte Doz. Dr. … im Bericht vom 24.06.1992 (SA Bl. 32) mit, die Klägerin sollte aufgrund des bereits erfolgten Prothesenwechsels links außerhalb ihres Wohnbereichs immer unter Benutzung eines Gehstocks laufen. Ein Rollstuhl sei nicht erforderlich. Ein Spaziergang von ca. 30 Min. Dauer sei zu vermeiden, um die implantierten Prothesen zu schonen. Die max. Gehstrecke sollte einen Kilometer nicht überschreiten. Mit Bescheid vom 31.03.1993 erweiterte das Versorgungsamt die Bezeichnung der Behinderungen um „Bewegungseinschränkung in beiden Hüftgelenken”, stellte das Ausmaß der Behinderung ab 15.03.1991 mit 80° fest und anerkannte, daß auch die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen „B” gegeben seien, diejenigen für das Merkzeichen „aG” lägen jedoch weiterhin nicht vor. In der Zeit vom 04.11.1993 bis zum 09.12.1993 befand sich die Klägerin im Zuge einer Rehabilationsmaßnahme erneut in der Klinik Bavaria. Nach dem Bericht vom 10.01.1994 (SG-Akte Bl. 33) gab sie an, seit September 199...

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