Entscheidungsstichwort (Thema)

Überlanges Gerichtsverfahren. Beschränkung der Entschädigungsklage auf eine Instanz des Ausgangsverfahrens. weiterhin mögliche Berücksichtigung der Kompensation durch raschen Abschluss in einer anderen Instanz. Vorbereitungs- oder Bedenkzeit. keine Beendigung nach Mitteilung über Entscheidungsreife. kein erneuter Beginn bei Richterwechsel. sozialgerichtliches Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Entschädigungsklage kann auf jede einzelne Instanz des Ausgangsverfahrens beschränkt werden.

2. Aus der Mitteilung des Ausgangsgerichts, dass die Sache entscheidungsreif sei, folgt nicht, dass dem Ausgangsgericht ab dieser Mitteilung keine weitere Vorbereitungs- oder Bedenkzeit zuzugestehen ist.

3. Mit einem Bearbeiterwechsel beim Ausgangsgericht beginnt die 12-monatige Vorbereitungs- und Bedenkzeit nicht erneut zu laufen.

4. Eine Überlänge in einer Instanz des Ausgangsverfahrens kann auch dann durch einen besonders raschen Abschluss in einer anderen Instanz kompensiert werden, wenn die Entschädigungsklage auf die überlange Instanz beschränkt wurde.

 

Orientierungssatz

Zu den Leitsätzen 1 und 4 vgl BVerwG vom 27.2.2014 - 5 C 1/13 D = NVwZ 2014, 1523.

 

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 700,00 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auf 2.100,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Kläger begehrt Entschädigung für die Dauer des Verfahrens S 12 R 1567/12 vor dem Sozialgericht Leipzig (SG).

Der Kläger ist seit 1998 Mitglied in einem berufsständischen Versorgungswerk der Rechtsanwälte. Für abhängige Beschäftigungen neben seiner anwaltlichen Tätigkeit hatte ihn die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund zunächst von der Rentenversicherungspflicht befreit. Einen Befreiungsantrag für die Beschäftigung als Leiter Personal einer GmbH in der Zeit vom 01.01.2012 bis zum 31.08.2012 lehnte die DRV Bund jedoch ab (Bescheid vom 30.09.2012, Widerspruchsbescheid vom 20.11.2012). Dagegen erhob der Kläger am 10.12.2012 beim SG Klage. Der Verlauf des Ausgangsverfahrens vor dem SG und dem Sächsischen Landessozialgericht (LSG) gestaltete sich wie folgt:

1. Instanz

ursprünglich S 10 R 1567/12, später S 12 R 1567/12

10.12.2012

Klageschrift mit Begründung,

28.12.2012

Unterlagen vom Kläger nachgereicht,

04.01.2013

Eingang von Klageerwiderung und Verwaltungsakten,

11.02.2013

Vortragsergänzung durch den Kläger,

25.02.2013

Stellungnahme der DRV Bund,

25.02.2013

Sachstandsanfrage des Klägers,

07.03.2013

Entbindungserklärung für die Personalakte beim Kläger vom SG angefordert,

12.03.2013

Sachstandsanfrage des Klägers,

19.03.2013

Erwiderung des Klägers auf die DRV Bund, Eingang der Entbindungserklärung,

20.03.2013

Personalakte vom SG angefordert beim früheren Arbeitgeber,

10.04.2013

Eingang der Unterlagen aus der Personalakte,

09.07.2013

Sachstandsanfrage des Klägers,

29.07.2013

Frage des Klägers nach einer Terminierung der Sache,

31.07.2013

Mitteilung des SG: die Sache sei entscheidungsreif, ein konkreter Termin könne noch nicht genannt werden,

01.08.2014

Sachstandsanfrage und neuer Vortrag des Klägers,

04.08.2014

Mitteilung des SG: wegen Verfahrensbelastung seien keine Angaben zum Fortgang möglich,

20.10.2014

Verzögerungsrüge des Klägers,

12.02.2015

Anhörung zum Gerichtsbescheid durch das SG, unter Bezug auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 03.04.2014 - B 5 RE 13/14 R - Klagerücknahme nahegelegt,

26.02.2015

Stellungnahme des Klägers unter Beantragung einer mündlichen Verhandlung,

03.03.2015

Einverständnis der DRV Bund mit Entscheidung durch Gerichtsbescheid,

12.03.2015

Erwiderung der DRV Bund auf die Stellungnahme des Klägers,

31.03.2015

Replik des Klägers,

09.04.2015

Gerichtsbescheid (zugegangen der DRV Bund am 13.04.2015 und dem Kläger am 16.04.2015)

2. Instanz

L 4 R 391/15

30.04.2015

Berufungsschrift, Begründung angekündigt,

13.05.2015

Eingang der Berufungsbegründung,

28.05.2015

Unterlagen vom Kläger nachgereicht,

02.06.2015

Eingang der Berufungserwiderung,

02.11.2015

Stellungnahme des Klägers im Rahmen der Entschädigungsklage (Irrläufer),

19.11.2015

Nachfrage der DRV Bund, worauf sich die Stellungnahme des Klägers beziehe,

07.07.2016

Anforderung von Unterlagen beim Kläger durch das LSG,

13.07.2016

Ladung der mündlichen Verhandlung auf den 06.09.2016,

18.07.2016

Eingang von Unterlagen des Klägers,

15.08.2016

weitere Unterlagen des Klägers,

29.08.2016

Anfrage des LSG nach Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung,

30.08.2016

Einverständnis des Klägers mit ergänzendem Vortrag,

02.09.2016

Einverständnis der DRV Bund,

06.09.2016

Urteil (vollständig abgesetzt zur Geschäftsstelle am 22.09.2016, zugegangen dem Kläger und der DRV Bund am 28.09.2016).

Bereits am 18.08.2015 hat der Kläger beim LSG Klage auf Entschädigung wegen überlanger Dauer des Ausgangsverfahrens erhoben. Der Sachverhalt sei weder komplex noch kompliziert gewesen. Das ...

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