Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistungen. Anspruchseinschränkung. selbst zu vertretende Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen. fehlende Mitwirkung bei der Passbeschaffung. Kausalität eines vorwerfbaren Verhaltens des Leistungsberechtigten für die Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen. fehlende Kooperationsbereitschaft der Auslandsvertretung des Herkunftsstaates

 

Leitsatz (amtlich)

Es besteht kein monokausaler ursächlicher Zusammenhang zwischen der von der örtlichen Ausländerbehörde angenommenen unterbliebenen Mitwirkung des geduldeten Asylbewerbers an der Passbeschaffung und der Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen, wenn die Botschaft des Herkunftsstaates nach der Ansicht der Zentralen Ausländerbehörde auf Schreiben nicht reagiert und ein Vorantreiben der Abschiebung des Betroffenen vereitelt.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom

April 2018 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die vom Beklagten vom 1. Juli 2016 bis zum 31. Dezember 2016 in Form von Warengutscheinen tatsächlich erbrachten Leistungen anzurechnen sind.

II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt vom Beklagten ungekürzte Grundleistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für die Zeit vom 1. Juli 2016 bis zum 31. Dezember 2016.

Der 1975 geborene Kläger ist Staatsangehöriger der Volksrepublik Bangladesch. Er beantragte am 1. August 2002 beim seinerzeit zuständigen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, ihm Asyl in der Bundesrepublik Deutschland zu gewähren. Über Personalpapiere (Pass, Passersatz, Personalausweis) verfügte der Kläger nach eigenen Angaben nicht. Zur Durchführung des Asylverfahrens wurde ihm eine Aufenthaltsgestattung erteilt. Mit Bescheid des Regierungspräsidiums B.... vom 22. August 2002 erfolgte die Zuweisung an den beklagten Landkreis. Auf Veranlassung des Beklagten wurde der Kläger in einer Gemeinschaftsunterkunft in A.... untergebracht. Mit Bescheid vom 29. Juli 2003 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab. Zugleich stellte es fest, dass Abschiebungshindernisse in Bezug auf Bangladesch nicht vorlägen. Der Bescheid ist seit dem 21. November 2003 bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 24. Februar 2004 informierte der Beklagte den Kläger darüber, dass mit der Unanfechtbarkeit des Ablehnungsbescheides des Bundesamtes die Aufenthaltsgestattung erloschen und er - der Kläger - nunmehr zur Ausreise verpflichtet sei. Der Beklagte forderte den Kläger dazu auf, bis zum 15. April 2004 ein gültiges Reisedokument bei der Ausländerbehörde vorzulegen und auszuhändigen. Sollte er dieser Verpflichtung nicht nachkommen, könne eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 2 AsylbLG erfolgen. Daraufhin teilte der Kläger im Schreiben vom 9. März 2004 mit, dass er kein gültiges Reisedokument besitze und er deshalb kein solches abgeben könne. Der Aufenthalt des Klägers in der Bundesrepublik wird seit dem 15. April 2004 wegen fehlender Reisedokumente geduldet.

Das Regierungspräsidium C… - Zentrale Ausländerbehörde - forderte den Kläger sodann dazu auf, sich über den Besitz gültiger Rückreisepapiere zu erklären. Für den Fall, dass er keine derartigen Dokumente besitzen sollte, wurde er gebeten, ein beigefügtes Formular ausgefüllt bis zum 4. Juni 2004 zurückzusenden (Schreiben vom 3. Mai 2004). Mit Schreiben vom 31. März 2005 mahnte das Regierungspräsidium beim Kläger an, dass er seinen Mitwirkungspflichten nachkommen und bei der Botschaft seines Herkunftsstaats ein Rückreisedokument beantragen möge. Ansonsten würden Zwangsmittel angewendet. Die nächste Mahnung erfolgte mit Schreiben vom 20. September 2007. Der Beklagte informierte das Regierungspräsidium schließlich darüber, dass der Kläger am 16. Oktober 2007 bei der Botschaft von Bangladesch vorgesprochen und einen Antrag auf Erteilung eines Passes erhalten habe, welchen er der zuständigen Ausländerbehörde vorlegen solle (Schreiben vom 26. Oktober 2007). Mit Schreiben vom 18. Dezember 2009 mahnte das Regierungspräsidium erneut beim Kläger die Vorlage eines Rückreisedokuments an unter Ankündigung der bereits erwähnten Zwangsmaßnahmen. Der Beklagte erwiderte daraufhin im Schreiben vom 21. Januar 2010, dass sich der Kläger nachweislich am 14. Januar 2010 zur Botschaft von Bangladesch begeben habe. Dort habe er einen Antrag auf Erteilung eines Reisepasses ausgefüllt, welcher von der Botschaft abgestempelt worden sei. Der Beklagte übermittelte dem Regierungspräsidium diesen Antrag (Schreiben vom 21. Januar 2010). Gleichwohl ging der Beklagte in seinem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 5. August 2011 davon aus, dass dieser seinen Mitwirkungspflichten zur Beschaffung gültiger Rückreisedokumente nach wie vor nicht genügt habe. Seine Vorsprache bei der Botschaft reiche jedenfalls nicht aus. Ihm wurde bis zum 26. August 2011 die Gelegenheit eingeräumt,...

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