Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Anspruchseinschränkung. Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Verschulden. Mitwirkung bei der Beschaffung von Identitätspapieren

 

Leitsatz (amtlich)

Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (juris: AsylbLG) können nach § 1a Abs 3 auf das unabweisbar Gebotene reduziert werden, sofern der ausreisepflichtige Asylbewerber nicht hinreichend an der Beschaffung der Rückreisedokumente mitwirkt und deshalb aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Die Mitwirkungspflicht nach § 48 Abs 3 Aufenthaltsgesetz (juris: AufenthG 2004) umfasst den Hinweis an die Mitarbeiter der Botschaft des Heimatlandes, Reisedokumente zur Erfüllung der Ausreisepflicht zu benötigen.

 

Orientierungssatz

§ 1a Abs 3 S 1 AsylbLG verstößt nicht gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.

 

Normenkette

AsylbLG § 1 Abs. 1 Nrn. 4-5, § 1a Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 3 S. 1, §§ 2-3; AsylG § 13 Abs. 3, § 18 Abs. 2 Nr. 1, § 26a Abs. 1 S. 1; AufenthG § 48 Abs. 3 S. 1, § 49 Abs. 2, §§ 58, 60a; AufenthV § 56 Abs. 1 Nr. 1; SGB II § 31a Abs. 1 S. 1; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 S. 1, Art. 20 Abs. 1; SGG § 86b Abs. 2 Sätze 1-2, 4; ZPO § 920 Abs. 2

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 28. Oktober 2019 aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die vom Antragsgegner festgestellte Anspruchseinschränkung nach § 1a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Der 1971 in G.... / Libanon geborene Antragsteller reiste am 12. November 2015 illegal in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurde am 18. Mai 2016 von der Bundespolizei kontrolliert. Eine Abfrage im Ausländerzentralregister (AZR) ergab, dass der Antragsteller über keinen Aufenthaltstitel verfügte. Am 16. August 2016 stellte er beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einen Asylantrag. Zur Durchführung des Asylverfahrens hatte die Landesdirektion Sachsen den Antragsteller allerdings bereits am 15. Dezember 2015 dem Antragsgegner zugewiesen. Am 12. November 2015 hatte der Antragsteller von der Zentralen Ausländerbehörde C… eine Bescheinigung erhalten, dass sich dieser als Asylsuchender gemeldet habe.

Das BAMF lehnte den Antrag des Antragstellers ab (Bescheid vom 25. Januar 2017). Zudem wurde die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, ebenso wenig der subsidiäre Schutzstatus. Abschiebungsverbote bestünden nicht. Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen zu verlassen. Ausweislich der Anhörung vor dem BAMF ist der Antragsteller nach eigenen Angaben am 10. September 2015 eingereist (über die Türkei, Griechenland, Serbien, Kroatien und Österreich). Das Verwaltungsgericht H.... hat die Klage gegen den Ablehnungsbescheid des BAMF abgewiesen und das Verfahren eingestellt, soweit der Antragsteller seinen Antrag auf Zuerkennung der Asylberechtigung zurückgenommen hatte (Urteil vom 16. August 2018 - 11 K 1438/17.A). Das Urteil ist rechtskräftig seit dem 25. Oktober 2018. Der Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet wird seither geduldet (zuletzt aufgrund der Verfügung des Antragsgegners vom 9. Juli 2019).

Mit Schreiben vom 10. Januar 2019 forderte das Ausländeramt des Antragsgegners den Antragsteller dazu auf, einen gültigen Pass / Passersatz oder ein Rückreisedokument vorzulegen bis zum 12. Februar 2019 bzw. entsprechende Nachweise seiner Bemühungen einzureichen. Zugleich wurde er über die Möglichkeit der Leistungseinschränkung nach § 1a AsylbLG informiert. Der Antragsgegner händigte dem Antragsteller ein Begleitschreiben zur Vorlage an die Botschaft des Libanon aus. Die Botschaft wurde gebeten, dem Antragsteller einen Reisepass / Passersatz oder ein Rückreisedokument auszustellen, damit dieser in sein Heimatland zurückreisen könne.

Der Antragsteller teilte dem Antragsgegner darauf hin im Schreiben vom 15. Januar 2019 mit, dass ihn die Botschaft darauf hingewiesen habe, dass zur Ausstellung eines Reisepasses ein Aufenthaltstitel des Antragstellers für Deutschland notwendig sei. Die Botschaft bestätigte, dass der Antragsteller dort am 14. Januar 2019 vorgesprochen habe. Der Antragsteller bat den Antragsgegner mitzuteilen, welche Schritte er nunmehr zu gehen habe.

Auf Veranlassung des Antragsgegners begab sich der Antragsteller nochmals zur Botschaft des Libanon. Der Antragsgegner hatte ihn zuvor darauf hingewiesen, dass sich seine Bemühungen auch auf die Ausstellung eines Passersatzes oder Rückreisedokuments zu erstrecken hätten. Im Schreiben vom 12. Februar 2019 erläuterte der Antragsteller, dass ihm der Botschafter bei der Vorsprache am 8. Februar 2019 erklärt habe, dass kein anderes Antragsformular existiere. Der Antragsteller bat den Antragsgegner darum mitzuteilen, was er tun könne.

Der Antragsteller ist Inhaber einer "Persona...

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