Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Rechtswidrigkeit der gesamtschuldnerischen Darlehensgewährung unter Einbeziehung minderjähriger Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Unzulässigkeit der Aufrechnung von Rückzahlungsansprüchen des Grundsicherungsträgers mit Regelbedarfsansprüchen des Minderjährigen

 

Leitsatz (amtlich)

Die gesamtschuldnerische Gewährung eines Darlehens zur Begleichung von Energieschulden unter Einschluss eines minderjährigen Mitglieds einer Bedarfsgemeinschaft, das nicht selbst Vertragspartner des Energieversorgungsunternehmens ist, ist regelmäßig rechtswidrig. Eine Aufrechnung von Rückzahlungsansprüchen des Grundsicherungsträgers aus einem solchen Darlehen gegen den Auszahlanspruch des Minderjährigen auf den ihm jeweils zustehenden Regelbedarf kommt daher nicht in Betracht.

 

Tenor

I. Unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Dresden vom 14. November 2014 wird der Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller zu 2. ab 1. November 2014, längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Überprüfungsantrag vom 5. Oktober 2014, Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende vorläufig auszuzahlen, ohne hierbei gegen Ansprüche des Antragstellers zu 2. auf den für ihn jeweils maßgebenden Regelbedarf mit Rückzahlungsansprüchen aus dem mit Bescheid vom 27. August 2014 bewilligten Darlehen aufzurechnen.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

III. Der Antragsgegner hat die den Antragstellern in beiden Rechtszügen entstandenen außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller und Beschwerdeführer (nachfolgend Antragsteller) wenden sich im Eilverfahren gegen die Aufrechnung einer Forderung des Antragsgegners und Beschwerdegegners (nachfolgend Antragsgegner) mit Ansprüchen auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die 1968 geborene Antragstellerin zu 1. bildet mit ihrem 2001 geborenen Sohn, dem Antragsteller zu 2., eine Bedarfsgemeinschaft. Sie beziehen laufende Leistungen nach dem SGB II.

Mit Bescheid vom 27.08.2014 bewilligte der Antragsgegner der Bedarfsgemeinschaft ein Darlehen über 1.088,70 € zur Begleichung von Stromschulden. In dem Bescheid heißt es u.a.: “Die Haftung für die Rückzahlung des Darlehens erfolgt gesamtschuldnerisch.„ Mit weiterem Bescheid vom 27.08.2014 teilte der Antragsgegner mit, dass ab Oktober 2014 mit den laufenden Leistungsansprüchen der Antragstellerin zu 1. in Höhe von 39,10 € und des Antragstellers zu 2. in Höhe von 26,10 € aufgerechnet werde.

Mit als “Widerspruch/Überprüfungsantrag„ bezeichnetem Schreiben vom 05.10.2014 wies die Antragstellerin zu 1. auf einen aus ihrer Sicht gravierenden Berechnungsfehler hin. Bei der Berechnung des monatlichen Aufrechnungsbetrages sei nicht berücksichtigt worden, dass von ihrem Regelsatz in Höhe von 391,00 € eigenes Einkommen sowie Einkommensüberhänge des Antragstellers zu 2. abgezogen würden, sodass sich kein Regelbedarf von 391,00 € ergäbe. Vom Regelbedarf des Antragstellers zu 2. käme das Kindergeld in Abzug. Laut dem Bewilligungsbescheid hätte der Antragsteller zu 2. zudem gar keinen tatsächlichen Bedarf. Außerdem hafte er nicht für die Handlungen seiner Eltern. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.10.2014 verwarf der Antragsgegner den Widerspruch wegen Verfristung als unzulässig.

Am 30.10.2014 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Dresden (SG) einen “Antrag auf Einstweilige Verfügung wegen Falschberechnung„ gestellt, dem sie ihr Schreiben vom 05.10.2014 beifügten.

Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 14.11.2014 abgelehnt. Der sachdienlich als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung auszulegende Antrag der Antragsteller habe keinen Erfolg. Es fehle bereits an einem Rechtsbehelf, dessen aufschiebende Wirkung ggf. festgestellt werden könne, denn die Antragsteller hätten trotz ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung keine Klage erhoben. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz dürfte nicht entsprechend auszulegen sein. Selbst für diesen Fall könne der Antrag aber keinen Erfolg haben. Aufschiebende Wirkung bestehe zwar auch bei unzulässigen Rechtsbehelfen, nicht jedoch dann, wenn der Verwaltungsakt - wie hier - bereits bestandskräftig geworden sei. Der Eilantrag sei auch hinsichtlich des Erlasses einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Ein Anordnungsanspruch sei denkbar, wenn der angegriffene Aufrechnungsbescheid vom 27.08.2014 im Überprüfungsverfahren aufgehoben würde. Der angegriffene Bescheid sei aber nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Der Darlehensbescheid vom 27.08.2014, der das Darlehen beiden Antragstellern gesamtschuldnerisch bewillige, sei bestandskräftig geworden. Gemäß § 42a SGB II werde das Darlehen durch alle Darlehensnehmer getilgt, wobei die Aufrechnung durch Verwaltungsakt zu erklären sei. Maßgeblich für die Berechnung der monatlichen Aufrechnung sei der grundsätzliche Regelbedarf, der für die Antragsteller 391,00 € bzw. 261,00 € betrage. Dass dem Antragsteller zu ...

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