Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistungen an Selbständige. Einstiegsgeld. Erfolgsprognose bzw wirtschaftliche Tragfähigkeit der selbständigen Tätigkeit. Stellungsnahme durch fachkundige Stellen. anzuwendendes Recht bei Rechtsänderung

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 16c Abs 1 SGB 2 ergänzt die anderen Regelungen des SGB 2 über Eingliederungsleistungen, indem ein weiteres Tatbestandsmerkmal eingeführt wird, nämlich die Erfolgsprognose iS von § 16c Abs 1 S 1 SGB 2.

2. Wirtschaftlich tragfähig iS von § 16c Abs 1 S 1 SGB 2 ist eine selbständige Tätigkeit, wenn der erzielte Gewinn wenigstens die Betriebsausgabe deckt.

3. Die Stellen, die zur Beurteilung der Tragfähigkeit einer selbständigen Tätigkeit als fachkundig angesehen werden, hat der Gesetzgeber in § 57 Abs 2 S 2 Halbs 2 SGB 3 beispielhaft aufgeführt.

 

Orientierungssatz

§ 66 Abs 1 Nr 2 SGB 2 idF vom 21.12.2008 ist anwendbar, wenn - wie hier - Einstiegsgeld als Ermessensleistung begehrt wird. Das alte Rechts des § 29 SGB 2 wäre nach der Rechtsänderung im Bereich der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit zum 1.1.2009 nur dann weiter anwendbar gewesen, wenn die Leistung bereits vor diesem Zeitpunkt zuerkannt worden wäre.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 15. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind - auch für das Beschwerdeverfahren - nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von Einstiegsgeld.

Der am … 1944 geborene Antragsteller bezog seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II), zuletzt mit Bescheid vom 23. Oktober 2008 für die Zeit vom 1. November 2008 bis zum 30. April 2009. Der Antragsteller ist Ingenieur für Hochbau.

Am 21. Oktober 2008 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Einstiegsgeld für die Gründung eines Ingenieur-Planungsbüros. Im ersten Jahr der Selbständigkeit erwarte er ein Bruttoeinkommen in Höhe von 6.000,00 EUR. Am 28. Oktober 2008 reichte er eine Rentabilitätsvorschau nach. Danach sei für das Jahr 2009 ein Umsatz in Höhe von 20.000,00 EUR und Betriebsausgaben in Höhe von 300,00 EUR erzielbar. Die C. W.- und E. mbH befürwortete in ihrer Stellungnahme vom 13. November 2008 die Existenzgründung des Antragstellers nicht.

Mit Bescheid vom 6. Januar 2009 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Bewilligung von Einstiegsgeld ab. Der Widerspruch des Antragstellers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13. März 2009 als unbegründet zurückgewiesen. Bei der Bewilligung von Einstiegsgeld handele es sich um eine Ermessensleistung, welche nur gewährt werden könne, wenn es zur Eingliederung in das Erwerbsleben erforderlich sei und die Hilfebedürftigkeit nicht durch den Einsatz effizienter Fördermittel beendet werden könne. Die Stellungnahme der C. W.- und E. mbH zur Tragfähigkeit der Existenzgründung sei nicht positiv gewesen. Es könne nicht nachvollzogen werden, ob die für den gesamten Gewinn notwendige Auftragslage erzielt werde und eine ausreichende Sicherung der Lebensgrundlage erwarten lasse. Der Antragsteller habe lediglich einen selbst erstellten Businessplan vorgelegt, der aber keine Rückschlüsse auf die Tragfähigkeit des auszuübenden Gewerbes zulasse. Damit lägen Voraussetzungen für die Bewilligung von Einstiegsgeld nicht vor.

Die K. -A. -GmbH befürwortete in ihrer Einschätzung vom 18. März 2009 das Unternehmenskonzept des Antragstellers.

Der Antragsteller hat am 23. März 2009 Klage erhoben und daneben die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes begehrt.

Mit Beschluss vom 15. Mai 2009 hat das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Im Hinblick auf die begehrte vorläufige Bewilligung von Einstiegsgeld fehle ein Anordnungsanspruch mangels Glaubhaftmachung eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf die begehrte Leistung. Der Antragsteller habe keine Tatsachen glaubhaft gemacht, die das Einstiegsgeld zur dauerhaften Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt als erforderlich erscheinen ließen. Die Prognose einer dauerhaften Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt sei der Stellungnahme der C. W.- und E. mbH nicht zu entnehmen. Dem gegenüber befürworte zwar die K.-A. -GmbH in ihrer Einschätzung vom 18. März 2009 das Unternehmenskonzept des Antragstellers. Allerdings lasse diese Stellungnahme inhaltlich jede Auseinandersetzung mit dem Konzept des Antragstellers vermissen. Außerdem weise die Antragsgegnerin zu Recht darauf hin, dass es sich bei Einstiegsgeld gemäß § 29 SGB II um eine Leistung auf Grund einer Ermessensentscheidung handele, die der gerichtlichen Überprüfung nur eingeschränkt zugänglich sei. Ein Anspruch auf Einstiegsgeld lasse sich nur dann begründen, wenn die Bewilligung in Anbetracht der Gesamtumstände des Einzelfalles die einzig rechtmäßige Entscheidung darstellen würde. Solche Umstände seien vom Antragsteller nicht vorgetrage...

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