Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. beigeordneter Rechtsanwalt. gebührenmindernde Berücksichtigung: Tätigkeit bereits im Vorverfahren oder parallele Bearbeitung ähnlich gelagerter Rechtsfälle. keine gebührenmindernde Doppelberücksichtigung. objektive Arbeitserleichterung. Synergieeffekt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine gebührenmindernde Berücksichtigung der Tätigkeit des Rechtsanwalts im Vorverfahren ist bei der Festsetzung von Gebühren nach Nr 3103 VV RVG unzulässig. Darüber hinausgehende objektive Erleichterungen bleiben jedoch berücksichtigungsfähig. Arbeitserleichterungen können nicht nur durch den Rückgriff auf im Vorverfahren erworbene Informationen und Erkenntnisse, sondern auch durch die parallele Bearbeitung im Wesentlichen gleichgelagerter Fälle desselben Mandanten entstehen.

2. Objektive Arbeitserleichterungen bei zeitgleich erhobenen und parallel geführten Verfahren, in denen keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, in welchem Verfahren die "Hauptarbeit" getätigt wurde, sind gleichmäßig auf alle betroffenen Verfahren aufzuteilen.

 

Normenkette

RVG § 45 Abs. 1, § 48 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 2 S. 1, § 3 Abs. 1 S. 1, § 14 Abs. 1 Sätze 1, 4

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 6. August 2012 geändert und die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen in Höhe von 458,85 € festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung des im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) im Verfahren S 27 AS 937/10 beigeordneten Rechtsanwalts.

Die Kläger führten vor dem Sozialgericht Chemnitz (SG) mehrere Verfahren um die Höhe der ihnen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zustehenden Leistungen. Streitig war im Verfahren S 27 AS 937/10, das den Leistungszeitraum 01.10.2009 bis 31.03.2010 betraf, die Berücksichtigung der Müllgebühren in ihrem Fälligkeitsmonat, ferner die Berichtigung des Nettolohns des Klägers zu 2), die Länge des in Ansatz zu bringenden Arbeitsweges sowie die Bereinigung des Elterngeldes um die sog. Versicherungspauschale. Im Verfahren S 27 AS 938/10, das den Leistungszeitraum 01.04.2009 bis 30.06.2009 betraf, waren streitig die Berücksichtigung der Müllgebühren in ihrem Fälligkeitsmonat, ferner die Berichtigung des Nettolohns des Klägers zu 2), die Länge des in Ansatz zu bringenden Arbeitsweges sowie die Berücksichtigung des Kindergeldes bei dem jeweiligen Kind einschließlich der Bereinigung um die sog. Versicherungspauschale. Im Verfahren S 27 AS 936/10, das den Zeitraum 01.10.2008 bis 31.03.2009 betraf, waren die Berücksichtigung der Müllgebühren in ihrem Fälligkeitsmonat, das erzielte Einkommen des Klägers zu 2) von Januar bis März 2009, die Länge des in Ansatz zu bringenden Arbeitsweges sowie die Berücksichtigung zu hohen Kindergeldes von Januar bis März 2009 streitig. Diese Punkte waren zudem für andere Bewilligungszeiträume in weiteren Verfahren - teilweise gegen die Höhe von Aufhebungen und Erstattungsforderungen gerichtet - streitig.

Mit Beschluss vom 12.08.2010 bewilligte das SG den Klägern im Verfahren S 27 AS 937/10 PKH unter Beiordnung des Beschwerdeführers.

Am 20.01.2011 erörterte das SG das Verfahren S 27 AS 937/10 gemeinsam mit 13 weiteren Verfahren in einem insgesamt 90 Minuten (13:00 Uhr bis 14:30 Uhr) dauernden Termin. Nachdem der Beklagte weitere 156,60 € bewilligte hatte, erklärten die Beteiligten das Verfahren S 27 AS 937/10 in der Hauptsache für erledigt.

Mit Vergütungsfestsetzungsantrag vom 03.02.2011 hat der Beschwerdeführer im Verfahren S 27 AS 937/10 die Festsetzung von aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen wie folgt beantragt:

Verfahrensgebühr (Nr. 3103, 1008 VV RVG)

425,00 €

Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG)

200,00 €

Fahrtkosten (Nr. 7003 VV RVG 180 km á 0,30 €, 1/13)

 4,15 €

Abwesenheitsgeld (Nr. 7005 VV RVG)

 2,69 €

Entgelte für Post und Telekommunikation

 20,00 €

Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG)

123,85 €

Gesamtbetrag

775,69 €

Mit Beschluss vom 05.09.2011 hat die Urkundsbeamtin des SG die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen wie folgt festgesetzt:

Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV RVG

 85,00 €

Erhöhungsgebühr (Nr. 1008 VV RVG)

 127,50 €

Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG)

 40,00 €

Reisekosten

 4,15 €

Tage- und Abwesenheitsgeld (Nr. 7005 VV RVG)

 2,69 €

Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG)

 20,00 €

Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV RVG)

 53,07 €

Gesamtsumme

 332,41 €

Die Verfahrensgebühr sei auf die Hälfte der Mittelgebühr zu reduzieren, da die Verfahren S 27 AS 937/10, S 27 AS 936/10 und S 27 AS 938/10 parallel geführt worden. Ein erheblicher Teil der Arbeit sei jeweils in den anderen Verfahren nutzbar gewesen. Im Verfahrens S 27 AS 936/10 sei bereits die Verfahrensmittelgebühr festgesetzt worden. Auch die Terminsgebühr sei zu reduzieren. Nachdem ber...

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