Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit der Beschwerde. einstweiliger Rechtsschutz. Zulassungsbedürftigkeit der Berufung in der Hauptsache. laufende Leistungen für mehr als ein Jahr. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aufrechnung. Aufrechnungszeitraum länger als ein Jahr

 

Leitsatz (amtlich)

Die Aufrechnung durch Verwaltungsakt gem § 43 SGB II betrifft eine laufende (Geld-)Leistung für mehr als ein Jahr iS des § 144 Abs 1 S 2 SGG, wenn der Gesamtbetrag der Erstattungsforderung so hoch ist, dass die erklärte Aufrechnung länger als ein Jahr dauern würde.

 

Tenor

I. Die Verfahren L 7 AS 1065/16 B ER und L 7 AS 1066/16 B ER werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden; führend ist das Verfahren L 7 AS 1065/16 B ER.

II. Die Beschwerden der Antragstellerin gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Chemnitz vom 5. Oktober 2016 - S 2 AS 3462/16 ER und S 2 AS 3463/16 ER - werden zurückgewiesen.

III. Außergerichtliche Kosten sind auch in den Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtschutz gegen einen Aufrechnungsbescheid des Antragsgegners.

Die am … 1970 geborene, erwerbsfähige Antragstellerin steht seit 2005 im laufenden Leistungsbezug beim Antragsgegner. Sie bewohnt im ehemals ihren Eltern und nach deren Tod nun ihrem Bruder W... gehörenden Haus eine 45,6 m² große Wohnung.

Gegen die Bewilligungsbescheide über Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum 01.01.2008 bis 31.12.2009 in Gestalt der entsprechenden Widerspruchsbescheide hatte die Antragstellerin beim Sozialgericht Chemnitz jeweils Klagen erhoben, die das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 06.09.2011 im Verfahren S 32 AS 5016/09 abgewiesen hatte. Im Berufungsverfahren L 7 AS 845/11 beim Sächsischen Landessozialgericht erschien die Antragstellerin - wie auch sonst zu den Gerichtsterminen beim Sozialgericht - nicht. Sie hatte ihrem Bruder eine schriftliche Vollmacht erteilt. Dieser schloss in ihrem Namen in der mündlichen Verhandlung am 10.07.2014 folgenden Vergleich:

"Die Beteiligten sind sich einig, dass die Antragstellerin lediglich eine Erstattungsforderung gegenüber dem Antragsgegner von 690,96 € zu begleichen hat. Die Antragstellerin verpflichtet sich, diesen Betrag ab dem 01.09.2014 in monatlichen Raten à 20,00 € an den Antragsgegner zu begleichen. Kommt die Antragstellerin mit mehr als 2 Raten in Verzug, wird die gesamte Restforderung sofort fällig."

Die Antragstellerin wandte sich in der Folge gegen diesen Vergleich (L 7 AS 959/14 WA). Mit Urteil vom 18.09.2014 stellte das Sächsische Landessozialgericht fest, dass das Verfahren L 7 AS 845/11 durch Prozessvergleich beendet wurde. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin beim Bundessozialgericht wurde mit Beschluss vom 16.12.2014 - B 14 AS 283/14 als unzulässig verworfen, ebenso die dagegen eingelegte Anhörungsrüge.

Nach vorheriger Anhörung erklärte der Antragsgegner mit Bescheid vom 15.01.2016, dass er ab dem 01.03.2016 den der Antragstellerin zustehenden Regelbedarf mit einem Betrag in Höhe von 20,00 € monatlich aufrechne. Dagegen richtete sich der Widerspruch der Antragstellerin vom 20.01.2016 (W 2016/0219).

Mit Schreiben vom 07.03.2016 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin zur Aufrechnung des ausstehenden Betrages mit dem monatlich zu gewährenden Regelbedarf in Höhe von nunmehr 40,40 € gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB II an. Mit Änderungsbescheid vom 15.04.2016 erklärte er, dass er ab dem 01.05.2016 mit einem Betrag in Höhe von 40,40 € monatlich mit dem der Antragstellerin zustehenden Regelbedarf aufrechne. Gemäß der anliegenden Rechtsbehelfsbelehrung werde dieser Bescheid gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin am 19.04.2016 ebenfalls Widerspruch ein (W 2016/1671).

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.04.2016 wies der Antragsgegner den Widerspruch der Antragstellerin W 2016/0219 als unbegründet zurück und ordnete gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides vom 15.01.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 15.04.2016 an.

Dagegen hat die Antragstellerin am 22.04.2016 beim Sozialgericht Chemnitz Klage erhoben (S 2 AS 1517/16).

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2016 verwarf der Antragsgegner den Widerspruch der Antragstellerin W 2016/1671 als unzulässig, da der Bescheid vom 15.04.2016 bereits Gegenstand des Widerspruchsverfahrens W 2015/0219 geworden sei. Dies sei auch eindeutig aus der Rechtsbehelfsbelehrung hervorgegangen.

Mit Schreiben vom 10.06.2016, eingegangen beim Sozialgericht am 14.06.2016, hat die Antragstellerin auch gegen den Änderungsbescheid vom 15.04.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2016 Klage erhoben (S 2 AS 2263/16).

Am 29.06.2016 hat die Antragstellerin bezogen auf das Hauptsacheverfahren S 2 AS 1517/16 die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt (S 2 AS 2499/16 ER).

Mit Schreiben vom 06.08.2016, eingegangen beim Sozialge...

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