1.1 Wirkung für die Vergangenheit

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes

  • das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist,

und soweit deshalb

  • Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind,

ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben.[1]

Der Verwaltungsakt muss von Anfang an rechtswidrig sein, mithin fehlerhaft infolge unrichtiger Rechtsanwendung oder Zugrundelegung eines unrichtigen Sachverhalts.

Die Belastung muss des Weiteren dazu führen, dass eine an sich zustehende Sozialleistung infolgedessen nicht erbracht wird oder eine Beitragserhebung erfolgt ist. Sozialleistungen sind Dienst-, Sach- und Geldleistungen. Die persönliche und erzieherische Hilfe gehört zu den Dienstleistungen.[2]

 
Achtung

Erweiterter Anwendungsbereich des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X

Nach der Rechtsprechung des BSG erfasst § 44 Abs. 1 SGB X nicht nur Fallgestaltungen, in denen dem Betroffenen ein rechtlicher Nachteil durch ein unrechtmäßiges Vorenthalten einer Sozialleistung entstanden ist, sondern auch solche, in denen der Bürger zunächst Sozialleistungen erhalten hat, die Leistungsbewilligung jedoch nachträglich aufgehoben worden ist.[3]

Die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit hat dann zwingend zu erfolgen, d. h. die Behörde hat kein Ermessen in Bezug auf die Frage, ob eine Aufhebung erfolgt. Die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit unterbleibt hingegen, wenn Ausschlussgründe i. S. des § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB X vorliegen.

Ermessen in Bezug auf die Frage, ob eine Aufhebung eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes mit Wirkung auch für die Vergangenheit erfolgt, besteht hingegen, wenn nicht alle vorgenannten Voraussetzungen erfüllt sind.[4]

Ein Verwaltungsakt ist dann nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Wann ein Verwaltungsakt ohne Rücksicht auf die vorstehenden Voraussetzungen nichtig ist, ergibt sich aus § 40 Abs. 2 SGB X.

1.2 Wirkung für die Zukunft

Ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen, wenn die Voraussetzungen für die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit i. S. des § 44 Abs. 1 SGB X nicht vorliegen.[2]

Die Rücknahme mit Wirkung für die Zukunft ist zwingend geboten. Ermessen besteht in Bezug auf die Frage, ob der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben wird.[3]

Verwaltungsakte in diesem Sinne sind beispielsweise solche, die Beitragszeiten in der Rentenversicherung feststellen.

1.3 Ausschlussgründe

Ein rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt i. S. d. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist dann nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufzugeben, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.[1]

 
Hinweis

Verfallklausel

Nach der Rechtsprechung des BSG hat die Verwaltung keine Rücknahmeentscheidung nach § 44 Abs. 1 SGB X mehr zu treffen, wenn die rechtsverbindliche, grundsätzlich zurückzunehmende Entscheidung keine Wirkungen mehr entfalten kann, weil sie ausschließlich Leistungen für Zeiten betrifft, die außerhalb der durch den Rücknahmeantrag bestimmten Verfallfrist liegen.[2]

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