Leitsatz (amtlich)

Der Selbstbehalt des nach Ausfall der Eltern auf Unterhalt = Anspruch genommenen Großvaters ist großzügig zu bemessen.

 

Tatbestand

Der Kläger (geb. am 27.5.1981) nimmt den am 30.8.1924 geborenen Beklagten, seinen Großvater väterlicherseits, auf Ausbildungsunterhalt in Anspruch. Die ursprünglich mitbeklagte Großmutter ist gleich nach Beginn des Rechtsstreits, welcher bei ihr Existenzängste ausgelöst hat, verstorben.

Der Kläger, der im Sommer 1998 den Hauptschulabschluss erreicht hatte, hat danach bis Sommer 1999 ein Berufsgrundbildungsjahr Bautechnik an den Berufsbildenden Schulen des Landkreises Osnabrück in Bersenbrück absolviert. Er nimmt seit September 1999 an einer berufsvorbereitenden Maßnahme des Arbeitsamtes (BBE Lehrgang) teil. Ein Leistungsbescheid liegt noch nicht vor. Der Vater des Klägers hatte sich in einer Urkunde des Bezirksamts Prenzlauer Berg vom 29.10.1993 zur Zahlung von Unterhalt für den Kläger in Höhe von monatlich 412 DM verpflichtet. Die Mutter des Klägers hat aus ihrer jetzigen Ehe zwei 1986 und 1988 geborene Kinder; sie ist nicht erwerbstätig. Die Familie erhält Sozialhilfe. Der Kläger, der im Haushalt seiner Mutter lebt, hat seit seiner Volljährigkeit zunächst selbständig Sozialhilfe in Höhe von monatlich 172,83 DM, zuletzt darlehensweise 438 DM erhalten. Der 1924 geborene Beklagte bezieht Altersrente in Höhe von netto 2.568 DM.

Der Kläger hat ausgeführt: Sein seit 1995 arbeitsloser Vater leiste ihm keinen Unterhalt. Er habe ein weiteres, noch minderjähriges Kind. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seien erfolglos geblieben. Seine 1961 geborene Mutter sei durch die Betreuung der beiden Kinder aus der jetzigen Ehe und wegen einer mit 60 % anerkannten Schwerbehinderung (hochgradige Schwerhörigkeit und Sehminderung beiderseits) nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Er habe sich bei sechs oder sieben Lehrherren erfolglos um eine Lehrstelle als Maurer beworben.

Der Beklagte hat bestritten, dass der Kläger noch zur Schule gehe und unterhaltsbedürftig sei. Er bezweifelt seine Unterhaltspflicht im Hinblick auf die Regelung des § 91 Abs. 1 Satz 1 BSHG.

Das Amtsgericht – Familiengericht – Bersenbrück hat den Beklagten durch das am 27. Juli 1999 verkündete Urteil antragsgemäß verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum vom 8.6. bis 30.6.1999 115,25 DM und ab 1.7.1999 monatlich laufend 339 DM zu zahlen, abzüglich vom Sozialamt für den Monat Juli 1999 gezahlter 172,83 DM. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.

Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen. Er verteidigt das angefochtene Urteil. Er führt ergänzend aus.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Ausbildungsunterhalt gemäß §§ 1601 f. BGB.

Es kann dahinstehen, ob der Kläger seinen Unterhaltsbedarf hinreichend dargestellt hat. Es kann auch offen bleiben, ob er nicht zunächst seine gemäß § 1606 Abs.2 BGB vorrangig unterhaltspflichtige Mutter in Anspruch nehmen muss und ob die Voraussetzungen für eine ersatzweise Haftung des Beklagten gemäß § 1607 Abs.2 BGB erfüllt sind.

Denn eine Haftung des Beklagten nach §§ 1601, 1606 Abs. 2, 1607 Abs. 1, 3 BGB kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil dieser nicht leistungsfähig ist. Er ist bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande, dem Kläger ohne Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts Unterhalt zu gewähren.

Wie hoch der angemessene Unterhalt des Verpflichteten zu bemessen ist, der ihm gemäß § 1603 Abs.1 BGB verbleiben muss, obliegt der tatrichterlichen Beurteilung des Einzelfalles ohne Bindung an Tabellen und Richtlinien. Denn die in den Unterhaltstabellen vorgesehenen Selbstbehaltssätze sind auf ganz andere Lebensverhältnisse, nämlich auf das Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern zugeschnitten (.BGH NJW 1992, 1393 f., 1394 mit weiteren Hinweisen). Sie können daher ebenso wenig maßgeblich sein, wenn Großeltern von ihren Enkeln auf Unterhalt in Anspruch genommen werden, wie sie anwendbar sind, wenn erwachsene Kinder zum Unterhalt für ihre hilfsbedürftigen Eltern herangezogen werden. Denn den Großeltern kann nicht abverlangt werden, dass sie ihre eigenen ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten vernünftig angepassten Bedürfnisse in gleicher Weise einschränken, wie es Eltern für ihre Kinder bei finanziell beengten Verhältnissen tun müssen.

Der angemessene Selbstbehalt ist daher nach Auffassung des Senats im Verhältnis von Großeltern zu Enkeln weit großzügiger zu bemessen, zumal der grundlegend anderen Lebenssituation des zum Unterhalt herangezogenen Groß...

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